DNLS-Erläuterungen von Marc Hennerici
Ex GT-Masters Pilot Marc Hennerici ist einer der organisatorischen Köpfe hinter der Digitalen Nürburgring Langstrecken Serie. Der ehemalige Sportkoordinator des ADAC Mittelrhein hatte in den letzten Jahren massgeblich daran mitgewirkt die Förderung des Simracing als Breitensportdisziplin in seinem Verband mit voranzutreiben. Das bislang populärste Ergebnis war die im Rahmen des jährlichen SRO-Auftritts am Ring organisierte Sim-Racing Expo. Angesichts der augenblicklichen globalen Krise im Motorsport besann sich die VLN auf das Angebot einer Kooperation mit der der von ihm in der Zusammenarbeit mit Sim Racing Deutschland mit organisierten vVLN. Von daher ist er einer der kompetentesten Ansprechpartner in Bezug auf die Kritikpunkte die vorgestern von uns in einem Artikel zur Serie geäussert wurden.
„Die DNLS kann man aus dem Stand heraus als Erfolgsstory bezeichnen, besonders wenn man bedenkt in welch kurzer Zeit und unter welchen Umständen die Nürburgring Langstrecken Serie gemeinsam mit uns hier die Serie organisiert haben. Etwas mehr als einer Woche vor dem Event sind die Verantwortlichen der Nürburgring Langstrecken Serie auf uns zugekommen, und da wir mit der vVLN schon einer derartige Meisterschaft in petto hatten war es möglich hier in kürzester Zeit sowohl ein Feld als auch die technische und software-mässige Infrastruktur für den Events zu bieten. Wir haben die letzten Tage sehr hart gearbeitet um die Chance, die sich jetzt in dieser aussergewönlichen Stuation in der sich der Motorsport befindet auch für die weitere Verbreitung des Sim-Racing zu nutzen. Die Übertragung lief trotz der derzeit deutschlandweit existierenden Bandbreitenprobleme einwandfrei, auch wenn diese es nötig machten die Bildqualität und den Detailgrad der Simulation merklich herunter zu schrauben. Wir hatten am Ende über 80.000 Zugriffe auf die Streams.
Diese offizielle Zahl sorgte in gewissen Foren bereits für Zweifel. De Facto stehen die Zähler für die Zugriffe des Laufstreams auf den beiden Youtubekanälen der Nürburgring Langstrecken Serie und des Nürburgring bei etwa 36.000 bzw. 60.000 Zugriffen. Hinzu kommen weitere Zugriffe auf die diversen FB-, Twitter-, Twitch- und Instagrammkanäle der Serie.
Die Dominanz der Sim-Racer in den Rennen ergibt sich laut Hennerici aus einem einfachen Grund. „Die professionellen Piloten die hier teilgenommen hatten haben bislang nur begrenzte Erfahrungen mit SimRacing gesammelt. Das wird sich spätestens ab dem zweiten Lauf ändern wenn dann einige der auch im Sim-Racing erfahrenen Realpiloten mit in die Meisterschaft einsteigen. Die Simracer die jetzt beim ersten Lauf den Ton angaben, machen seit Jahren jedes Wochenende nichts anderes als an virtuellen Rennen teil zu nehmen. Wir hatten auch viele Teilnehmer aus der vVLN die dadurch die Strecke und die Eigenarten der Fahrphysik der Simulation bereits bestens kannten.“
Die Rundenzeiten von Zeiten bis zu 7:40 sind laut Hennerici ebenfalls einfach zu erklären. „Die GT3-Fahrzeuge sind in der Simulation mit einer SRO-BoP ausgestattet die 5% Mehrleistung gegenüber der VLN-BoP in dieser Klasse aufweist. Zudem finden die Rennen bei trockener Strecke und bei deutlich weniger Verkehr statt, da die Simulation nur etwa 60 Teilnehmer erlaubt. Wenn man das in Relation zu den Zeiten setzt die beim 24h-Rennen auf der Gesamtstrecke gefahren werden - denn nur dort geben die Hersteller wirklich alles - dann ist man von den Rundenzeiten nicht mehr weit von der Realität entfernt.“
Bei der trockenen virtuellen Strecke und damit dem fehlenden Einfluss des Eifelwetters wird es auch erst mal bleiben. „Regenrennen sind natürlich der heilige Gral des Sim-Racings. iRacing hat noch keine Regensimulation eingebaut weil man dort die Philosophie verfolgt, solche Features nur einzubauen wenn sie fundiert funktionieren und zuverlässig die Realität abbilden. Die meisten Simulationen die das bislang machen, wenden lediglich eine Reduzierung der Gripwerte des Asphalts an, wobei sich beim konkurrierenden rFactor2 die Verhältnisse immer an den augenblicklichen Verhältnissen an der Nordschleife orientieren weil die Sim über ein Plugin mit den Livedaten der Wetterverhältnisse an der Nordschleife versorgt wird. Bei iRacing arbeitet man dagegen daran, stattdessen die physikalischen Einflüsse des Wasserfilms zwischen den Reifen und den verschiedenen Asphaltarten und Störbelägen in ein Rechenmodell umzusetzen. Bis das realitätsnah funktioniert wird es noch einige Zeit dauern.“
In Bezug auf die Simulation der dynamischen Fahrbahnänderungen lässt iRacing Hennerici zu Folge wenig Wünsche offen. „Die Wechsel der Asphalt-Beläge, der mit dem Rennverlauf zunehmende Reifenabrieb abseits der Ideallinie, Kies auf der Strecke nach Ausritten, Beschädigungen nach Anschlägen an der Leitplanke – alles wird eigentlich hinreichend simuliert und berücksichtigt. Lediglich die Version der Strecke könnte man bemängeln denn die beruht auf dem Laserscan der Nordschleife von 2015 während rFactor 2 mittlerweile den 2018´er Scan eingebaut hat.“
Gleichwohl findet auch der 4-fache ADAC GT-Masters-Laufsieger vereinzelte Kritikpunkte an iRacing als Simulation. „Ich persönlich bin mit einigen Details der Fahrphysik dieser Simulation nicht immer ganz glücklich. Jetzt muss man aber bedenken, das bei einem solch komplexen Programm wie einer Rennsimulation die Fahrphysik nur eine von etwa einem Dutzend Disziplinen ist, die solch ein Paket beherrschen muss. Dazu gehören auch die Grafikengine, Rennadministration, Multiplayer-Fähigkeiten, Live-Streaming-Optionen, die Betriebssicherheit, das Einbinden von customized Mods (=zusätzliche Strecken, Autos und Meisterschaften) und viele weitere Features. In der Hinsicht ist iRacing, gerade was die Betriebssicherheit und die Administration – also die Racecontrol - bei solch öffentlich ausgetragenen Events anbelangt, vielen anderen Simulationen einfach voraus, weswegen es derzeit die erste Wahl in Bezug auf solche Live-Übertragungen ist. Von daher kann ich persönlich mit den leichten Abstrichen bei der Fahrphysik leben.“
Das die Fahrzeugauswahl mit derzeit 4 GT3-Modellen, sowie je einem Fahrzeug im Porsche 911 und Cayman-Cup sowie lediglich dem TCR-Audi derzeit für iRacing im Vergleich zu anderen Simulationen ebenfalls eingeschränkt ist, könnte man ebenfalls als Minus-Punkt anführen. Hier sieht Hennerici allerdings eher die reellen Hersteller der Wagen am Zug. „Das ist eine reine Lizensierungsgeschichte. Die Modelle dürfen heutzutage nur mit einer offiziellen Lizenz des Herstellers gescannt und mit allen technischen Eigenschaften in die Simulationen eingebaut werden. Es gibt da einen grossen deutschen Konzern der ignoriert zum Beispiel das Thema Sim Racing bislang komplett und verweigert sich entsprechenden Anfragen. Ich hoffe das sich das mit der augenblicklichen Lage ändert und man da auch bei anderen Herstellern offener wird und seine entsprechenden Rennmodelle in mehrere Simulationen einbauen lässt. SimRacing ist eine ernsthafte Disziplin und sie ist als solche ein wichtiger Breiten- und Einsteigersport. Du kannst mit wenigen hundert Euro eine Ausrüstung zusammen stellen und motiviert loslegen und dich mit den Eigenarten des Motorsports vertraut machen. Das wird jetzt, da es für die nächsten Wochen und Monate die einzige noch verbliebene Disziplin ist, den Leuten schlagartig bewusst. Daher glaube ich das dies bei aller Tragik der Umstände eine einmalige Chance ist, den Sport aus seiner Nische zu holen und in das Bewusstsein der Motorsportfans zu bringen.“