Ein detaillierter Blick in die BoP-Änderungen des Qualirennens
Es war letztes Jahr angesichts der dominanten Vorstellung von Mercedes (und anfänglich auch von BMW) eines der umstrittensten Themen beim 24 Stunden Rennen am Nürburgring: Inwieweit passte die BoP des Ringklassikers wirklich auf die realen Kräfteverhältnisse der verschiedenen Fahrzeugmodelle und hatten die am Ende erfolgreichen Hersteller im Vorfeld nur ein erfolgreiches Sandbagging betrieben um die Einstufung im Vorfeld des Rennens erfolgreich zu ihren Gunsten beeinflussen zu können? Angesichts der gelinde gesagt verhaltenen Vorstellungen von BMW und Mercedes bei den beiden VLN-Rennen im Vorfeld des diesjährigen Rennens kamen erneut Verdachtsmomente auf das eine entsprechende Taktik hier wieder zum Einsatz kommen würde. Wir haben uns daher die BoP vor dem heutigen Qualifikationsrennen noch einmal in Hinblick auf erfolgte Anpassungen angeschaut, wobei Vergleiche an dieser Stelle sowohl mit der BoP des letzten VLN-Laufs als auch mit der finalen BoP des 2016´er Rennens erfolgen müssen, die uns zum Vergleich ebenfalls vorliegt.
Für Mercedes scheint sich jedenfalls das Sandbagging gelohnt zu haben. Die 2016 beim Klassiker so dominante Marke (5-fach-Sieg) hatte sich bei den VLN-Läufen bewusst zurück genommen und hat nun beim Qualirennen 2 0,4mm grössere Restriktoren zugestanden bekommen. Offiziell ist der Grund dafür das Mercedes eine neue lärmmindernde Auspuffanlage gegenüber dem Rennen 2016 einsetzt und man deren Leistungsminderung mit der zugestandenen Mehrleistung ausgleichen will. Gegenüber der BoP 2016 bedeutet das sogar 10PS (Motorprüfstand) bzw 11 PS (Rollenprüfstand) mehr Leistung (=495 bzw. 515PS) bei lediglich 10kg mehr Ballastgewicht (1335 statt 1325kg) die man zur besseren Balancierung des Fahrzeugs in diesem verteilen kann. Gegenüber 2016 wird der Tank um 9l auf 116l verkleinert, wobei fast alle Hersteller mit weniger Sprit-Volumen auskommen müssen.
BMW war der zweite Hersteller der bei den vergangenen VLN-Läufen mysteriöse Performance-Einbrüche verzeichnete und auf einmal die Topzeiten aus dem Vorjahr nicht mehr erreichen konnte. Die Münchner haben ihren 125l-Tank lediglich um 3 auf 122l (das grösste Tankvolumen im Feld neben dem 125l fassenden Bentley ) verkleinern müssen und ebenfalls 10kg Zuladung bekommen. Die Leistung von 520 PS auf dem Rollenprüfstand bleibt aber erhalten. Wir erinnern uns. 2016 lag Jörg Müller mit dem M6 Anfangs der Nacht vor allen Mercedes in Führung als der Motor des Wagens spektakulär verauchte...
3 Hersteller die sich trotz Nachteilen beim Rennen 2016 nicht ums Sandbagging scherten und in der VLN Langstreckenmeisterschaft Vollgas gaben waren die VAG-Marken Porsche, Bentley und Audi. Die 2x in der Langstreckenmeisterschaft siegreichen Porsche haben im Vergleich zu den VLN-Rennen 10 PS durch einen 1mm kleineren Restriktor gestrichen bekommen, sind aber im Vergleich zum 24h-Lauf 2016 immer noch mit 5 PS mehr unterwegs. Auch beim Gewicht hat man 10kg im Vergleich zum Vorjahr ausladen dürfen, ist aber mit 1280kg 50kg leichter als die Konkurrenten. Diesen Vorteil versucht der ADAC in seiner BoP mit dem kleinsten Tankvolumen der Konkurrenz – 109l – zu egalisieren, was immerhin 11l weniger wie im Vorjahr bedeutet. Der Enthusiasmus der Porsche-Mannschaften von Manthey, Frikadelli und Falken dürfte daher angesichts der schon ernüchternden Ergebnisse aus dem Vorjahr, als die Wagen den Mercedes chancenlos hinterher eilten, limitiert sein.
Audi darf ebenfalls 10kg ausladen, bekommt seinen Tank aber gegenüber der 2016´er Ausgabe um 13l verkleinert. Am Besten von den VAG-Marken trifft es Bentley , die bei gleichbleibenden Tankvolumen gar noch 45mb Turbo-Ladedruck und damit 3 PS zusätzlich hinzugewinnen. Möglich, das daher ein Bentley - falls er durchkommt – als bestes VW-Fahrzeug 2017 noch vor den Porsche und Audis gewertet werden könnte. Der einzelne Lamborghini von Konrad Motorsport muss lediglich mit 8l weniger Sprit klar kommen. Lange Stints mit 9-10 Runden wie im Vorjahr, die das Autos in die Top-10 Plätze brachten, dürften so nicht mehr zu erreichen sein.
Der Rest der BoP-verpflichteten Klassen enthält wenig Änderungen. Die Glickenhaus-Boliden verlieren 7l an Tankvolumen und die älteren GT4-Autos von Aston Martin und BMW dürfen 50kg ausladen um mit den neuen Cayman konkurrieren zu können.
Was bleibt angesichts der Änderungen zu resümieren? Das Zusammenspiel von verhaltener Vorstellung bei den VLN-Läufen und BoP-Änderungen beim Qualirennen (mehr Leistung für Mercedes/ein vergleichsweise grosser Tank für BMW/Tank- und Leistungsbeschneidungen für Porsche und Audi) legt nahe, das die BoP-Verantwortlichen dem Sandbagging erneut auf dem Leim gegangen sind. Das BMW und Mercedes nun ausgerechnet im Qualifikationsrennen diese Taktik ändern, wäre ungewöhnlich und daher nicht zu erwarten. Endgültig wird man sich darüber erst nach den ersten Stunden des 24h-Rennens im Mai einlassen können.