Die Sportwagensaison 2013 - ein Blick in die Kristallkugel ...

Nach dem gestrigen Rückblick auf die vergangene Saison und der Überprüfung der vor einem Jahr aufgestellten Prognosen fragt man sich mit verkatertem Blick, was also von der kommenden Saison zu erwarten ist? Wir wagen mal einen Ausblick in eine zugegebenermassen noch recht ölverschmierte Kristallkugel (Gruß an das GT-Eins-Forum von dieser Stelle aus ...):

Die FIA Langstrecken Weltmeisterschaft und die darin eingebundenen 24 Stunden von Le Mans werden nach wie vor die Spitze des Langstreckensports darstellen. Zudem hat sich schon im vergangenen Jahr gezeigt, dass Toyota eine harte Nuss für Audi ist. Sollten also wie geplant beide Hersteller je 2 Autos in die Schlacht werfen (Audi sogar 3 in Spa-Francorchamps und Le Mans), dann dürften wir interessante Schlachten in 2013 erleben. Wesentlich viel mehr Teilnehmer sollten 2013 allerdings im Gesamtfeld nicht erwartet werden. Ein Saisonbudget von 2,5-5 Mio € für eine teilnehmende Privatiersmannschaft (je nach Klasse) ist nur von einer überschaubaren Anzahl von Teams weltweit zu stemmen – da reicht der WM-Status lediglich zur Sicherung des Status Quo von etwa 30 Teilnehmern.

Für die Europäische Le Mans Serie sieht es nach wie vor schwierig aus. Ob das neue Organisationsteam der LMEM wirklich in der Lage ist, das Ruder noch mal herumzureissen, bleibt fraglich. Zumindest den Kalender und die Klassenstruktur – nun inklusive der vormals ungeliebten GT3 – hat man fixiert und sich zudem einem etablierten Veranstaltungspaket, der World Series by Renault, angeschlossen. Ob das reicht, um dem ACO-Klassengefüge die wichtige europäische Basis zu sichern, darf nach dem Schiffbruch der vergangenen Saison bezweifelt werden. „It needs years to build, but just one season to destroy“ ist das Motto, das die Europäische Le Mans Serie scheinbar zu bestätigen scheint. Mehr als ein Konsolidierungsjahr mit bestenfalls 20-25 Teilnehmern sollte von der Serie 2013 nicht erwartet werden.

Noch tiefer hängen die Trauben beim vierten Anlauf der Asiatischen Le Mans Serie, wo der ACO schon mit 18 Teilnehmern - davon mehr als die Hälfte GT3-Teams - zufrieden wäre. Die ALMS wird dagegen ihr Level von um die 30 Teilnehmern in ihrer definitiv letzten Saison vor dem Zusammenschluss mit der Grand Am voraussichtlich halten können – wobei viele Augen sich nun auf die offizielle Verkündigung der neuen Klassenstruktur am 04.01. richten werden.

In der SRO werden zwar laut Angaben von Chef Stephane Ratel 2013 etwas kleinere Brötchen gebacken, die Ankündigung eines FIA-GT-Worldcups für die neue SRO-Sprintserie, bei der noch längst nicht das dafür angepeilte Feld beisammen ist, lassen jedoch befürchten, dass auch hier wieder eine Fortsetzung des subventionsbedürftigen WM-Konzepts von 2012 droht. Zumindest hat der SRO-Chef die Notwendigkeit einer breiten Privatiers-Basis erkannt und seine Liebe zu den GT4 wieder entdeckt. Und auch die Blancpain Endurance Serie wird mit einem geplanten 1000km Rennen am Ring weiter aufgewertet, wobei Ratel hier in eine Bresche springt, die der ACO und der ADAC durch ihren jahrelangen Dissens aufgerissen haben. Der namhafte Klassiker ist neben dem Saisonhöhepunkt - das 24 Stunden Rennen von Spa-Francorchamps - ein weiterer gewichtiger Grund, warum hier ähnlich volle Felder wie in 2012 erwartet werden können. Ratel muss sich nur hüten, die Blancpain Endurance Serie nicht nur als Cashcow für seine subventionsbedürftigen WM-Ambitionen zu missbrauchen – dann könnte es mit dem Teilnehmerpotential von über 40 Autos pro Rennen für 2013 ganz schnell vorbei sein.

Zur Nationalen Ebene: Hier sei die Frage gestattet, ob wirklich das ADAC GT-Masters oder die VLN Langstreckenmeisterschaft 2013 zur Top-GT-Serie avancieren werden. Auch ob diese Frage alleine schon sinnvoll ist, mag diskutiert werden dürfen. Denn die Sprintserie des ADAC und die Langstreckenserie der VLN-Veranstaltergemeinschaft bedienen unterschiedliche Rennformate und unterschiedliche Zielgruppen - nichtsdestotrotz buhlen beide um den Kundenstamm der einheimischen GT3-Teams. Der ADAC hat - überzeugt vom Erfolg 2011 und 2012 - nun mit der Einschränkung der Feldgrösse von 44 auf 28 Teams und steigenden Gebühren die Trauben ein wenig höher gehangen, um das Wettbewerbslevel der Teams und der Meisterschaft noch weiter anzuheben. Ob die Rechnung aufgeht, müssen die kommenden Monate zeigen. Denn den im Masters eingeschriebenen Mannschaften stehen in ihrer Fahrzeugklasse nun massig Alternativen im internationalen und nationalen Bereich bereit (Blancpain Endurance Serie, VLN Langstreckenmeisterschaft, GT-Open oder die neue internationale City-Challenge), so dass sich viele erst im letzten Moment entscheiden werden. Wir legen uns fest und prophezeien, dass zum Saisonstart in Oschersleben sich eher ein Feld mit einer Grösse unter dem angepeilte Limit von 28 Teams auf den Weg macht.

Einer der Gewinner der nationalen und internationalen Situation dürfte die VLN Langstreckenmeisterschaft werden. Denn diese hat nicht mit der neuen Gebührenordnung der FIA zu kämpfen, mit der fast bei allen deutschen Serien massiv gestiegene Kosten bei den Auslandsrunden einhergehen. Zudem hat die Meisterschaft als Vorbereitungsszene des 24h-Klassikers des ADAC Nordrhein ein weiteres gewichtiges Argument, in der ersten Saisonhälfte zusätzliche Gaststarter anzuziehen. Die bislang sehr klug agierende Orga des Championats erntet nun die Früchte ihrer Arbeit und konnte 2013 sogar zusätzliche Cups von mindestens zwei Herstellern - Toyota und Opel - in ihre Meisterschaft einbinden. Als gleichermassen Basis- und Spitzenserie nimmt man aufgrund des exklusiven Veranstaltungsortes eine Sonderstellung ein, die auch 2013 wieder in Feldgrössen von 150-200 Wagen münden dürfte.

Schwieriger gestaltet sich die Situation bei den restlichen deutschen GT-Serien. Aufgrund der Kostensteigerungen an den Infrastrukturmässig aufgeblasenen deutschen Standorten am Nürburgring und in Hockenheim haben Serien wie die DMV-Touringcar Championship, die Spezial Tourenwagen Trophy, die AvD 100 Meilen oder die SCC sich in der Vergangenheit ins benachbarte Ausland abgesetzt, wo nun heuer die Kostenkeule der neuen FIA-Gebührenordnung erbarmungslos zuschlägt und dem bislang bezahlbaren Motorsport für die GT-Basis zusätzliche Ausgaben ohne Mehrwert sowie Einschränkungen bei den für Sponsoren wichtigen Juniorförderprogrammen abfordert. Noch ist unklar, wie sich das im Rennbetrieb der betroffenen Serien niederschlagen wird - Teilnehmerschwünde können hier nicht ausgeschlossen werden.

Zudem hat sich neben der Szene der festen Serien in den letzten Jahren ein interessantes Portfolio von nicht immer einer festen Serie angehörigen Langstreckenrennen aufgetan (24h Nürburgring, Gulf 12 hours, 48h Navarra, 12h Bathurst, 24h Dubai, 24h Barcelona, 24h Zolder, ...), das auch hierzulande Aufmerksamkeit anzieht und auch im von uns beleuchteten GT-Bereich viele einheimische Piloten interessiert. Die von der SRO geschaffene GT3-Standardklasse ist mittlerweile beim Gros dieser Veranstaltungen die Gesamtsieg-fähige Top-Klasse. Wenn diese Events es schaffen, mit Rücksicht auf den internationalen Kalender der angepeilten Kundschaft attraktiv platziert zu sein, dann sind auch hier 2013 viele GT-Schlachten mit vollen Feldern und sehenswertem Ausgang zu verfolgen.

Wie man sieht, zeichnen sich auch für das kommende Jahr Licht und Schatten in der Entwicklung des Sports ab. 2013 wird vielleicht kein herausragendes Sportwagenjahr werden - da bietet 2014 mit dem neuen LMP-Reglement, dem ALMS-/Grand Am-Merger und der Rückkehr von Porsche in die LMP-Szene mehr Potential. Wir von GT-Eins werden auch in unserer 14. Saison versuchen, im Rahmen unserer Möglichkeiten das Gros der interessanten Serien und Veranstaltungen auf diesen Seiten hier zu beleuchten. In diesem Sinne wünschen euch der Autor dieser Zeilen und das gesamte GT-Eins-Team ein unterhaltsames und hoffentlich auch von Gesundheit geprägtes Jahr 2013.

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