Grenzen des Wachstums?
Es ist so etwas wie Routine eingekehrt in die Sportwagenszene. Ein weiterer Jahreswechsel steht an und man hat wenig Anlass zu pessimistisch in die Zukunft zu blicken. Dennoch schadet ein analytischer Blick wenig und daher folgen auch wir der mittlerweile Gewohnheit gewordenen Routine und versuchen uns erneut an einem Jahresrückblick und einer kleinen Vorausschau auf die kommende Saison.
Anders als in den ersten Jahren des Bestehens unserer Seiten (langgediente Weggefährten werden sich zurück erinnern) schwindet immer mehr die Wahrnehmung das der Jahreswechsel so etwas wie eine Zäsur im Saisongeschehen ist. Das wird nicht erst durch die immer noch laufende FIA Langstrecken Weltmeisterschaft-Supersaison befeuert, deren erste Saison erst im kommenden Juni beendet wird. Auch die Events über den Winter hinweg haben immer mehr zugenommen – die Pause zwischen den Gulf 12 hours und den 24h von Dubai beträgt gerade mal 4 Wochen und immer mehr Serien tragen Winterevents oder Rennen gegen Ende des Jahres aus.
Wenn ab April die sich immer weiter entwickelnde Serienlandschaft dann Fahrt aufnimmt – in diesem Jahr kommt mit der ADAC GT4 Germany eine weitere hochinteressante Serie hinzu – dann muss man sich schon sputen um nicht den Anschluss zu verlieren. Anders als noch vor 15 Jahren ist die Sportwagenszene ein essentieller Bestandteil der deutschsprachigen Motorsportszene geworden, die mit annähernd über 100 Teams, etwa 6-700 Autos und weit mehr als 1000 Piloten reichlich Schlagzeilen produziert.
Manchmal fragt man sich unwillkürlich ob dieser Zustand schon die Spitze des GT- und Motorsportbooms ist oder ob wir die Spitze schon erreicht haben und nun ein langsamer aber stetiger Niedergang im Wettrüsten der früher unvermeidlichen Kostenspirale droht... Nun – für letztere These gibt es gottlob wenig Anlass. Sowohl die Serienorganisatoren (SRO, ADAC, Creventic, selbst der ACO) als auch die Hersteller der Fahrzeuge haben nach etlichen Lehrsaisons begriffen das das Geld immer noch an der Basis zu holen ist und bieten für Einsteiger und den Breitensport entsprechende „bezahlbare“ Gerätschaften an. Dies sind im GT-Bereich derzeit die GT4 und bei den Prototypen die LMP3. In der GT4 ist eine zweistellige Zahl an Herstellern aktiv, die sich anschickt die Produktionszahlen der GT3-Fahrzeuge (annähernd 1500 Fahrzeuge in den letzten 12 Jahren!) in Rekordzeit zu egalisieren.
Bei den LMP3 wird man nicht annähernd so weit kommen, da der französische ACO entsprechende protektionistische Rahmenbedingungen für die Klasse erlassen hat, die den Einstieg neuer Hersteller enorm erschweren. Der Markt für eine Fahrzeugklasse bei der die Kosten für Einsatzgerät und Rennsaison zusammen bei unter einer halben Millionen Euro liegen, ist trotz einer sich zunehmend abzeichnenden wirtschaftlichen Rezession in den kommenden Jahren immer noch breit genug aufgestellt – ob man deswegen allerdings überall neue GT4-Serien aus dem Boden stampfen muss sei dahingestellt.
Ist die neue Kundschaft erst mal „angefixt“ dann ist der Umstieg auf die GT3 bzw LMP2 nicht weit. Hier werden die Einsatzgeräte zwar mit der Zeit immer teurer – ein Abflauen des Booms ist aber trotz jahrelang anhaltender Unkenrufe dennoch nicht in Sicht: Wie „tot“ die GT3 Szene ist, hat professionellen Schwarzsehern 2018 wieder einmal der Blancpain GT Serien Endurance Cup eindrucksvoll demonstriert, der mit übervollen Feldern von bis zu 60 Wagen und einer mehr als hart umkämpften Meisterschaft begeisterte. Und auch das nationale ADAC GT-Masters erwartet für 2019 wieder ein dermassen volles Feld das man als Ausweichsalternative mittlerweile die ADAC GT4 Germany plant – die auf Anhieb ähnliche Starterzahlen wie die Topserie andeutet.
Das Konzept der GT3/GT4 ist mittlerweile wirtschaftlich für alle Beteiligten so überzeugend, das die Serien im 2. Glied (DMV-GTC , Creventic) zunehmend auch auf diese Klassen umsatteln. Selbst vom Reglement her freizügigere Serien können es sich nicht erlauben auf diese Klassen zu verzichten und müssen ihre Reglements irgendwie darauf anpassen. Salopp gesagt: wenn 80% deiner Kunden und Interessenten mit geBoppten Autos ankommen, dann kannst du als Serienbetreiber das Konzept nicht mehr ignorieren. Creventic, die VLN Langstreckenmeisterschaft, die Spezial Tourenwagen Trophy und viele andere Serien haben darauf reagiert und entsprechende Klassen eingerichtet – und bieten dennoch ein Auffangbecken für alle Individualisten die sich nicht an das „Auto von der Stange“-Prinzip halten wollen.
Puristen beklagen mittlerweile einen „Einheitsbrei“ auf den Rennstrecken. Der ist aber im GT-Bereich eher theoretischer Natur und durch entsprechendes Lokalkolorit und Schwerpunkteinsätze einzelner Hersteller nur mit Mühe zu erkennen. Im LMP-Bereich – bei den LMP2 und 3, bei denen sich lediglich 3-4 ernsthafte Hersteller tummeln – trifft das schon eher zu. Der ACO hat durch die oben schon erwähnten protektionistischen Massnahmen die Szene der Konstrukteure weitgehend ausgedünnt. Das weitestgehend französisch beherrschte Oligopol funktioniert dennoch: Oreca, Ligier und Norma machen unter den Kundenteams ihren Schnitt und verdienen prächtig am Mythos Le Mans. Dafür wird die Einstiegsstufe für neue Hersteller immer höher, die derzeit gezwungen sind gleich einen LMP1 aufzulegen wenn sie neu in die Szene einsteigen wollen. Das derzeit in Arbeit befindliche Hypercar Reglement ist zwar ein interessanter Ansatz um neue Hersteller in die Topklasse zu holen. Statt 200Mio € nur 30Mio€ für einen Schuss auf den Le Mans Sieg zu riskieren macht das Konzept sogar für langjährige Skeptiker wie Ferrari und McLaren attraktiv. Ob man allerdings damit wirklich langfristig neue Konstrukteure vom Schlag eines Glickenhaus binden kann, muss die Praxis des noch im Entstehen begriffenen Reglements zeigen.
Als Unterbau der ACO-Szene wird man dennoch auf die GTE nicht verzichten können. Diese sind zwar in der Regel für Privatteams noch einmal um den Faktor 1.5-2 teurer als entsprechende GT3 Konstruktionen, doch hier deutet sich mit dem nach Ferrari auch vom neuen Aston Martin verfolgten Prinzip des „Conversion-Kits“ eine kostengünstigere Alternative an. Diese könnte der Klasse sogar über das Hungerjahr 2019/20 in der FIA Langstrecken Weltmeisterschaft hinweghelfen, das wegen des anstehenden Reglementswechsels 2020 eher eine Reduzierung der Starterzahl verspricht.
Gibt es also doch Grenzen des Wachtums in der Sportwagenszene? Wenn nicht durch eigenes Unvermögen, dann kommen die Bedrohungen von ausserhalb. Zum einen könnte eine wirtschaftliche Rezession wie schon weiland um 2008 herum zu einer Reduzierung der finanziell aufwändigen Sportwagenprogramme führen. Politiker verschiedener schillernder Couleur arbeiten ja nach Kräften schon daran die wirtschaftlichen Fehler der Vergangenheit zu wiederholen und die Rahmenbedingungen für solch ein Szenario zu erarbeiten. Zum zweiten droht das Damoklesschwert der ökologischen Fragestellung in Kombination mit der innovativen Schwerfälligkeit der Mobilitätsbranche den Sport in einen unverdienten Misskredit zu bringen. Hier könnte und sollte der Sport eine Vorreiterrolle übernehmen um die interessanten Möglichkeiten die sich dadurch ergeben aufzuzeigen. Als Beispiel seien hier abseits Multimillionenschwerer Hybrid- und Brennstoffzellen-LMP-Programme (... ich muss den Puristen noch einmal Möglichkeiten für eine letzte Empörung geben..) die 24h von Oschersleben genannt, die als absolut breitensporttaugliches Format für zukunftsträchtige Fahrzeugkonzepte die Themen Langstreckenrennen und kostengünstigen Breitensport auf ungewöhnlich erfrischende Art neu verquickt haben.
Der Autor diese Zeilen versteigt sich somit in das Fazit, das auch 2019 der Untergang des Abendlandes – respektive auch der Sportwagenszene – noch in weiter Ferne liegt. GT3, GT4, GTE und LMP werden weiter das Geschehen bestimmen und auf die wirklich hochinteressanten Projekte, die die Szene wirklich vor einen aufregenden Umbruch stellen könnten – die Brennstoffzellen-LMP´s, eine SP-E-Klasse für rein elektrische VLN-Teilnehmer und die GT5-Klasse für GT-Fahrzeuge mit einer Cost-Cap von unter 100.000€ - werden wir wahrscheinlich noch (zu!) lange warten müssen.
Nichts desto Trotz wird auch auf diesen Seiten hier der Sport im Rahmen unserer bescheidenen Möglichkeiten weiter begleitet werden. Wir von GT-Eins freuen uns darauf, euch auch 2019 – in unserer mittlerweile 21. Sportwagensaison - mit einem voll beschäftigten Enthusiasten-Team weiter hier über den Sport informieren zu dürfen. In diesem Sinne wünschen wir euch einen guten Rutsch und ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2019!