Ein Rennen das man nie vergisst...
Le Mans 2016 ist vorüber – und es wird kaum einen Zuschauer der das Rennen verfolgt hat geben, der angesichts der Geschehnisse nicht zustimmen wird, das die 84.Ausgabe dieses Rennens (der Link führt zum Rennbericht auf unseren Seiten) eine der denkwürdigsten überhaupt des Klassikers gewesen ist. 3 zu Beginn auf Augenhöhe liegende Hersteller in der Topklasse, einer der saubersten und dennoch härtesten Fights der letzten Jahre an der Spitze mit brillianter Taktik auf allen Seiten und zahlreichen Führungswechseln und am Ende ein mehr als filmreifes dramatisches Finish, dessen Drehbuchentwurf jeder Hollywoodautor umgehend als zu unrealistisch zur Redigierung zurück bekommen hätte. Alleine die Emotionen der letzten 2 Runden die jeder Fan und alle Beteiligten durchleben mussten werden diese Ausgabe auf ewig in das Gedächtnis der Langstreckengemeinde festgebrannt haben.
Versuchen wir uns trotz der schwer in Worte zu fassenden Geschichte an einer Zusammenfassung: Porsche, Toyota und Audi zeigten schon zu Rennbeginn eine vielversprechende Pace. Die lange Safetycar-Phase zu Beginn, die sich im nachhinein wohltuend auf den regulären Rennverlauf auswirkte (der erste Ausfall im Rekordstarterfeld der 60 Wagen wurde erst nach 3 Stunden notiert), kostete zwar das Rennen alle Chancen auf eine neue Rekorddistanz, wurde in der Folge jedoch von einer Taktikschlacht par excellence der 3 Hersteller gefolgt. Toyota hatte sich von Anfang an dafür entschieden 14 Runden-Stints zu fahren – und damit die beiden deutschen Hersteller an die Wand zu fahren. Audi, die mit 12 Runden-Stints anfingen, mussten ihre Renntaktik umschmeissen und wurden später im Rennen von jeweils einem Turboschaden an den beiden, für dieses Jahr radikal neu konstruierten Audi R18 e-tron Quattro aus der Entscheidung geworfen. Porsche blieb trotz der theoretischen Möglichkeit von 14 Runden bei den anvisierten 13 Runden Stints und versuchte über eine geringfügig schnellere Pace den Nachteil von 2 zusätzlichen Boxenstopps wett zu machen. Einer der Porsche fiel in der Nacht durch einen Wasserpumpenschaden zurück, den man jedoch rechtzeitig erkannte bevor der Motor irreversibel überhitzte.
Somit jagten sich an der Spitze 2 Toyotas und ein Porsche, der den Druck das ganze Rennen über aufrecht erhielt, noch am Sonntag morgen um den Kurs. Ein Dreher des lange führenden TS050 #6, sowie ein vorangegangener Kontakt mit einem Konkurrenten warfen das Auto von Stephane Sarrazin, Mike Convay und Kamui Kobayashi dann aus dem Kampf um den Sieg. Toyota hatte somit auch nur noch eine Kugel im Lauf.
Porsche musste zudem mit der #2, pilotiert durch Neel Jani, Marc Lieb und Roman Dumas noch einen letzten Splash & Dash einlegen und war 15 Minuten vor Rennende schon geschlagen – als der lange führende Toyota von Pilot Kazuki Nakajima, Anthony Davidson und Sebastian Buemi in der vorletzten Runde plötzlich immer mehr Tempo rausnahm und auf der Start-Zielgerade zu Beginn der letzten Runde mit einem akuten Leistungsverlust ausrollte. Noch ist selbst Toyota nicht klar was die finale Ursache des Ausfalls war – vermutet wird ein Turboschaden. Neel Jani übernahm in der letzten Runde die Führung und erzielte den überraschenden 18.Sieg für Porsche. Da der Toyota die Runde lediglich mit dem Hybridsystem beenden musste und daher die maximal zulässige Rundenzeit überschritt wurde er am Ende noch nicht einmal gewertet was die 11 Runden zurück liegende Audi-Mannschaft in der #8 noch auf das Podium hievte. Toyota musste sich mit dem zweiten Platz der #6 trösten – war aber untröstlich, auch wenn der tränenüberströmte Nakajima nach dem Aussteigen den Applaus der gesamten Starttribüne bekam.
Das die Emotionen in der Porsche Box darauf hin überschäumten ist mit Sicherheit nicht auf Schadenfreude basiert. Wer einen Le Mans Sieg fast schon verloren glaubt und diesen in letzter Sekunde doch noch glücklich erringt, dessen erste Gedanken gelten sicher nicht automatisch der Empathie für die Gegner. Das diese trotzdem da war, machten sowohl die Porsche Piloten als auch die drittplazierte Audi Crew in der Pressekonferenz klar.
Neel Jani : „Als ich in der letzten Runde den Toyota da stehen sah und vorbei schoss, kam mir das alles surreal vor. Ich dachte das kann doch nicht wahr sein und musste mich zusammen reissen um in der letzten Runde noch fokussiert zu sein. Du hast ja immer gehofft das noch was passiert und den Druck aufrecht erhalten, aber so etwas..! Gut - Le Mans ist hart zu gewinnen! Ein Sieg hier ist ein Sieg aber das ändert nichts daran das wir natürlich nicht so gewinnen wollten. Das die Toyota-Piloten das so verloren haben zerreisst einem schon das Herz!“
Toyota-Pilot Mike Convay: „Wir wissen nicht was unser Schwesterauto hatte – offensichtlich ein Verlust der Motorleistung. Sie konnten die Runde noch beenden sind aber dann wegen einer zu langsamen Rundenzeit nicht gewertet worden. Ich fühl mit ihnen denn sie hätten verdient das Rennen zu gewinnen. Aber in diesem Rennen weiss du nie was passiert – bis zur letzten Sekunde !“
Lucas di Grassi: „Das war nicht unser Rennen. Es ist zwar nett auf dem Podium zu stehen, aber das war kein Rennen wie Audi sich das vorstellt. Wir hatten zu viele Reperaturen und nicht die Pace um vorne mitzugehen. Wir haben noch sehr viele Hausaufgaben vor uns!“ Oliver Jarvis: „Ehrlich gesagt wäre uns wohler wenn statt unser die Toyota-Piloten hier oben ständen. So wollen wir eigentlich nicht zu einem Podiumsplatz kommen. Ich fühle mit den Toyota-Piloten die ich alle sehr gut kenne. Ich gratuliere Porsche aber meine Gedanken sind bei der ausgefallenen Crew.“
Nette Geste am Rande : als die Toyota-Piloten am Abend in der Porsche-Hospitality vorbei schauten um artig zum Sieg der Gegner zu gratulieren bekam speziell Kazuki Nakajima Applaus vom gesamten Porsche-Zelt. Es ist in der FIA Langstrecken Weltmeisterschaft und Le Mans halt doch ein anderer Zusammenhalt als in so mancher anderen Motorsport-Liga..