Die SP9-Klasse im Vergleich - wer kann Audi herausfordern?

39 GT3 - das ist in diesem Jahr mit Abstand das grösste Starterfeld einer Klasse und auch das grösste Starterfeld in der Gesamtsiegerklasse das bislang beim 24 Stunden Rennen am Nürburgring an den Start gegangen ist. 2015 und 2014 starteten 31 GT3 von 7 Herstellern, 2013 33 Autos von 7 Herstellern und 2012 31 von 8 Herstellern. Mit Audi (9 Autos), Mercedes (9), Porsche (6), BMW (7), Nissan (2), Aston Martin (2), Bentley (2) und Lamborghini (1) tummeln sich seit 2012 wieder einmal 8 Hersteller in der Klasse. Grund genug für uns, die einzelnen Hersteller einem „Podiumscheck“ zu unterziehen:

Fangen wir an mit Audi: Angesichts des VW-“Dieselgate“-Skandals hatte die Motorsportabteilung ein Moratorium von nur 2 statt 4 werksunterstützten Autos verkündet – die allerdings von weiteren „privat“ eingesetzten Audi R8 LMS (immerhin der klare Vorjahressieger) flankiert werden. Wer sich die Fahrerliste der altehrwürdigen Privatiers auf den zweiten Autos von Phoenix, dem Belgian Audi Club Team WRT und Land Motorsport einmal durchliest (u.a. Frank Stippler, Anders Fjordbach, Edward Sandström, Frederic Vervisch, Marc Basseng, Mike Rockenfeller, Timo Scheider, ...), kommt schnell zu dem Schluss, dass nur ein frischgebackener Controller bei Audi oder der ein oder andere motorsportdesinteressierte VW-Aktionär diese Mär von der Kostenersparnis noch glauben dürfte. Audi hat de facto 5 siegfähige Autos im Einsatz – die beiden offiziell als Audi Sport WRT bzw. Audi Sport Phoenix titulierten Werkswagen, zudem die 3 oben erwähnten Autos und 4 zusätzliche Wagen der Teams Twin Busch, Car-Collection und Audi race experience, die zwar nicht für den Sieg aber bei freundlicher Gesinnung der Nordschleife für den ein oder anderen Top-10-Platz gut sein dürften. Da das Einsatzgerät hinreichend seine Standfestigkeit demonstriert hat, ist Audi erneut der grosse Favorit für einen weiteren, dann dritten Gesamtsieg am Ring.

Über den Werkseinsatz von AMG-Mercedes in diesem Jahr hatten wir bereits frühzeitig berichtet. Die Affalterbacher Schmiede hat beim Werk das bislang grösste Werkspilotenkontingent in der Geschichte des Klassikers geordert, das zudem auf 7 annähernd gleich starke Teams aufgeteilt worden ist. 20 hochklassige Piloten, 7 nagelneue Mercedes AMG GT, dazu mit Black Falcon, HTP-Motorsport, dem Haribo Racing Team und dem Mann Filter Team 4 hochklassige Mannschaften – da müsste doch eigentlich nichts schief gehen können, oder? Doch der glänzende Auftritt hat im Vorfeld einige Kratzer bekommen. Die AMG-GT zeigten bei ihren ersten Auftritten nicht die Zuverlässigkeit die der Vorgänger Mercedes SLS AMG GT3 sprichwörtlich zum Uhrwerk auf Rädern machte. Motor- und Antriebsstrangschäden sowie weitere Defekte wurden den Teams seit dem Debüt in Dubai bei Langstreckenauftritten immer wieder mal zum Verhängnis. Unter der Hand war davon die Rede, dass die Vielzahl der Bestellungen sich nicht positiv auf die Qualität der montierten Arbeitsgeräte auswirken würde. Bei den 24h am Ring wird es daher zum ersten wahren Härtetest des Mercedes AMG GT kommen. Top-10 Positionen sollten mit dem Wagen prinzipiell möglich sein - ein Podium wird gegen die Audi und die anderen Konkurrenten schwer zu erkämpfen sein, ist aber nicht unmöglich. Ein Sieg? Wird schon deutlich schwerer werden ...

BMW hat gerade rechtzeitig bei VLN3 zu einem vielversprechenden Tempo gefunden. Prompt setzte es die BoP-Keule. Die verordnete Rücknahme des Ladedrucks könnte sich aber für die M6 eventuell als Wohltat erweisen, denn die M6 litten ebenfalls bei den Testläufen im Vorfeld unter mangelnder Zuverlässigkeit und hatten einige Kinderkrankheiten am Triebwerk zu beklagen. Im Vergleich mit Audi, BMW und Porsche ist der BMW das am spätesten fertig gestellte und der wenigsten Rennerfahrung ausgestattetete Fahrzeug. Eines der Einsatzteams von ROWE Racing, Schubert Motorsport und Walkenhorst Motorsport nach den 24h ganz oben zum dann 20.ten BMW-Sieg auf dem Podium stehen zu sehen, dürfte daher einem kleinen Wunder gleichkommen. Ein Finish im Ziel wäre für jede der Konstruktionen schon ein messbarer und lobenswerter Erfolg.

Porsche stellt zur Zeit das grösste Fragezeichen unter den 4 deutschen Herstellern dar: haben die Manthey-Boliden nur ein geschicktes Sandbagging, eingepackt in einem ausgetüftelten Testprogramm betrieben, oder weist der neue Porsche 991 GT3 R wirklich konzeptionelle Schwächen auf, die Siege auf der Nordschleife erschweren? Angesichts frisch herausgefahrener Klassensiege in der 24 Stunden-Serie, der Pirelli World Challenge und der Weather Tech-USCC-Serie (... schon gut! – überall andere Reifen...) ist die erstere Vermutung nicht ganz unangebracht. Andererseits hat auch Porsche anfangs des Jahres mit Zuverlässigkeitsproblemen zu kämpfen gehabt. Die Vermutung liegt nahe das von den 3 Einsatzmannschaften (Manthey & Manthey-Kunden, Falken, Frikadelli Racing Team) nur die top-betreuten Teams von Mantheys Werksautos und Falken einen Schuss auf die Top-10 frei haben. Und auch diese Mannschaften müssen die 24h erst mal überstehen. Dennoch gibt es beim Autor dieser Zeilen ein gewisses Bauchgefühl, dass Mantheys Autos noch am ehesten die Audi-Armada unter Druck setzen könnten...

Kommen wir zu den „kleineren“ Werkseinsätzen. Aston Martin hat trotz Abwesenheit von VLN3 noch einmal einen Performancebreak bekommen. Das wird angesichts immer noch nicht durchgehender Saisonvorbereitungen aber auch dieses Mal nicht für einen Platz auf dem Gesamtpodium reichen. Auch wenn man mit Nicki Thiim, Darren Turner, Mathias Lauda und Pedro Lamy weiter Top-Piloten auf den Autos hat. Astons bisher bestes Ergebnis bei den N24 war P5 in 2014 – das wird in diesem Jahr angesichts der gewachsenen Konkurrenz nur schwerlich einzustellen sein.

Das gleiche liesse sich von Bentley sagen, wo das Team Abt Top-Piloten auf den Autos zusammengestellt hat, aber im Endeffekt um ein Finish in den Top-10 als Maximalergebnis fährt. Im Vorjahr erreichte der beste HTP-Motorsport-Bentley P8 als Endergebnis. Kann man dieses Ergebnis wiederholen oder gar verbessern?

Nissan hängt immer noch das Stigma des Unfalls von VLN1 2015 an. An den durch die Wirren des verkürzten VLN-Einsatzes und des LMP-Debakels eingeschränkten Vorbereitungen im Laufe der vergangenen Saison wird ein Angriff auf das Podium erneut scheitern. Daran wird für dieses Jahr auch die Verpfichtung eine deutschen Einsatzteams neben der RJN-Truppe nichts ändern. Für die Nissan GT-R Nismo GT3 gilt es daher P9 aus dem Vorjahr als bislang bestes Ergebnis zu wiederholen oder gar zu toppen.

Mit Konrad Motorsport debütiert eine private Mannschaft den Lamborghini Huracan beim Ringklassiker – hier dürfte die Zielankunft das erklärte Ziel sein, obgleich der Bolide mit seiner ökonomischen Fahrweise schon Top-Positionen bei den VLN-Läufen einnehmen konnte. Es wäre vermessen, hier auf ein problemloses 24h Debüt in Zusammenhang mit einem Podium zu hoffen – ein Finish auf einer guten Position wäre hier so gut wie ein Sieg einzuschätzen!

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