Hyraze-League - die Zukunft des Motorsports?
Schon in der vergangenen Woche hatte der ADAC eine wichtige Bekanntmachung für ein neues innovatives Motorsportkonzept angekündigt. Gestern nun wurde die sogenannte Hyraze-League als neues Fahrzeugkonzept gemeinsam vom ADAC, dem Deutsche Motorsport Bund , der Dekra, sowie den Technikkooperationspartnern HWA, Schaeffler und Wesa vorgestellt. Das Konzept der Wasserstoffbrennstoffzellen-Rennwagen klingt in der Tat innovativ und interessant - ob es als wirklich wie vollmundig angekündigt als Zukunftskonzept für den Motorsport taugt, ist jedoch nach Ansicht des Autors dieser Zeilen mit einigen gewichtigen Fragezeichen behaftet.
Zu den Fakten. Mit der für das Debüt in 2023 geplanten Hyraze League soll ab 2023 ein gänzlich neuer Motorsport-Wettbewerb mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Rennfahrzeugen starten. Die mit umweltfreundlich produzierten Wasserstoff als Energieträger betriebenen Wagen werden von 4 Elektromotoren mit insgesamt 800 projektierten PS befeuert. Die Energie für den emissionsfreien Antrieb liefert grüner Wasserstoff, der in den beiden Brennstoffzellen der Rennfahrzeuge in Strom für den Allradantrieb umgewandelt wird. Die Wagen selber werden auf einer auf einer Einheits-Carbonzelle aufgebaut, sollen aber teamspezifische Designfeatures gestatten. Dies wird derart realisiert, das die Karosserieteile aus einem Naturfaser-Verbundwerkstoff hergestellt werden und von den Teams frei nach ihren Vorstellungen gestaltet werden können. Damit ist sichergestellt, dass individuelle Designs und Karosserieformen - unabhängig von einem Serienbezug – ermöglicht werden können. Klare Regeln im Bereich der Aerodynamik sollen dafür sorgen, dass trotz freier Karosseriegestaltung kein kostenintensiver Aerodynamik-Wettbewerb entsteht. Unter der Außenhaut basiert die Technik der ersten Fahrzeuggeneration im Wesentlichen auf Einheitsbauteilen, die von den an dem Projekt beteiligten Technologiepartnern entwickelt werden.
Zusätzlich zum Antriebskonzept sollen weitere „grüne“ Features - wie etwa Steer-by-wire, Bremsstaub-Filter und abriebsreduzierte Reifen aus nachwachsenden Rohstoffen - der Serie einen nachhaltigen Touch geben. Obendrein wird die Serie von vorneherein mit einem E-Sports-Feature verknüpft: Die Teams haben für jedes Auto zwei Fahrer - einen für die realen Wertungsläufe und einen, der an den gleichfalls zur Meisterschaft zählenden Sim-Racing-Events teilnimmt. Die Ergebnisse beider Rennen fließen zu gleichen Teilen in die Meisterschaftswertung ein, sodass am Ende ein Team als Gesamtsieger beider Disziplinen gekürt wird. Zwar sollen Sprintrennen im Vordergrund stehen, jedoch wird angesicht der Schnelltank-Fähigkeit mit Wasserstoff auch ein Langstreckenkonzept für die fernere Zukunft nicht ausgeschlossen.
Wenngleich das gesamte ambitionierte Konzept auf den ersten Blick zukunftsträchtig klingt, scheinen doch einige Zweifel an der Realisierbarkeit angebracht. Schon die technischen Rahmenbedingungen machen klar das den Machern hier kein ausbaufähiges Sport- oder Serienwagenkonzept sondern eher eine DTM 4.0 vorschwebt. Angesichts der involvierten Partner – HWA, Schäffler und der Deutsche Motorsport Bund - und des Siechtums der aktuellen DTM die sich nach dem angekündigten Abgang des 3. Herstellers in Folge Ende dieses Jahres bereits im Zombiestatus befindet und nun offen, unverholen und einen Tick zu überheblich mit dem Wechsel auf die GT3-Plattform liebäugelt, liegt zumindest für Technik-Ausstatter HWA die Suche nach einem weiteren neuen Profitcenter nahe.
Die genannten Features lassen – obschon noch keine Preise genannt wurden – erahnen das diese Autos nicht so preiswert wie ein alter DTM-Wagen (= >2Mio€/Saison) - geschweige denn wie ein etwa halb so teurer GT3 - betrieben werden kann. Hier dürfte eher von Kosten auf LMDh-Niveau, wenn nicht sogar Hypercar-Level, ausgegangen werden. Angesichts der vor uns stehenden corona-bedingten Wirtschaftsumwälzungen und deren noch nicht abzusehenden Budgetkürzungen bei Teams und Sponsoren, dürfte den mit der Materie und den Kosten vertrauten Lesern (von denen es auf unseren Seiten einige gibt) sicher schnell klar werden wieviele Teams sich hier enthusiastisch für die Auftaktsaison melden werden.
Zur Beruhigung für die Macher des Konzepts: der Autor dieser Zeilen ist angesichts seiner langjährigen journalistischen Tätigkeit und der kritischen Selbsteinschätzung der Bilanz seiner bisherigen Voraussagen demütig genug, sich auch mitzufreuen wenn 2023 wirklich 18-25 Mannschaften zum Auftaktrennen der neuen Meisterschaft antreten werden – allerdings sieht er zu diesem Datum derzeit lediglich den Sim-Race-Teil des Konzepts am Start. Denn wie schwierig es ist ein zuverlässiges und gleichermassen sicheres Brennstoffzellen-Fahrzeug für den relen Rennbetrieb aufzubauen, musste schon das Green-GT-Le Mans Projekt für die Garage 56 erfahren. Aber auch im Technik-Bereich hat sich seitdem einiges getan...
Ist also das vorgestellte Projekt etwas was der Zukunft des Motorsports weiterhelfen wird? Die nur vage zu vermutenden Kosten, zu denen die Pressemitteilungen der verschiedenen Partner sich bislang ausschweigen, lassen dies nicht erahnen. Was dem Motorsport eher weiterhelfen würde, wären preiswertere, realisierbarere und seriennähere Konzepte, die auf bereits existierenden oder kommenden Elektro-, Hybrid- und vielleicht auch Brennstoffzellen-Fahrzeugen für die Strasse basieren. Hier gibt es bereits Ansätze, mit denen auch Leser und Aktive auf unseren Seiten schon Erfahrungen sammeln konnten. Ein ambitioniertes Leuchtturmprojekt wie das nun vorgestellte, wird ohne massivem Werksengagement a la DTM – also mindestens mit den Konzernen von VAG, Daimler, BMW und Toyota - recht schnell an seine sport-wirtschaftlichen Grenzen stossen.