Was soll man dazu noch sagen ...?
Wieder einmal ist ein Sportwagenjahr vorüber – oder fast vorüber? Dank zunehmender Wintersaisons oder -Events fällt es zunehmend schwerer wie früher einen scharfen Trennstrich zwischen den verschiedenen Saisons zu ziehen. Alleine im kommenden Januar stehen die (erstmals in Bahrain ausgetragenen Gulf 12 hours , die 24h von Dubai und die 24h von Daytona an, gefolgt im Februar von der Asiatischen Le Mans Serie-Kompaktsaison in Abu Dhabi und den 12h von Sebring im März – und da beginnt mit der Nürburgring Langstrecken Serie auch irgendwann mal die reguläre Saison.
Also blicken wir zurück auf dieses Jahr, was war da nochmal ? ...
Unsere Kollegen von Endurance-Info.com haben den hierzu äquivalenten Artikel mit „2020 – ein Scheissjahr?“ tituliert. Wir wollten jetzt nicht so weit gehen den selben Titel zu wählen und lediglich ein Ausrufezeichen statt des rhetorischen Fragezeichens zu verwenden. Aber es kommt dem schon ziemlich nahe!
Die im Januar sich andeutende und im Februar endgültig eskalierende Entwicklung um die weltweite COVID-19 Pandemie war vor exakt 366 Tagen wohl für niemanden übersehbar. Der sich wortwörtlich materialisierende hintergründige „chinesische Fluch“ - den wir in unserer Jahresvorschau vor genau einem Jahr hier an dieser Stelle beschworen - hat sich in etwas anderer Form als gedacht als Büchse der Pandora nicht nur über die Sportwagenszene geöffnet. Die abgelaufene Saison war nicht nur in der Geschichte des Motorsports wohl einzigartig. Das der weltweite Sportbetrieb in nahezu allen Disziplinen (Simsport mal ausgenommen) 3 Monate lang ruhen musste, war selbst in der weltweiten Sportgeschichte ein nie zuvor so erlebter oder dokumentierter Vorgang. Angesichts der weltweiten Bedrohung durch das neuartige Virus rückten andere, wichtigere Lebensaspekte in den Vordergrund – und diese werden mit ihren noch gar nicht voll in Erscheinung getretenen Folgen der immer noch anhaltenden Pandemie auch die kommende Saison prägen.
Ein Saisonstart im vergangenen Juni (endlich hatten wir mal eine dringend benötigte Erholungsphase!) liess dann unterschiedliche Strategien der einzelnen Serien erkennen, die zum Teil mit Programmkürzungen, Terminverlegungen, Absagen und strukturellen Änderungen ihrer Gesamtkalender ihre Saisons abspulten. Trotz teilweise spannender Rennen blieb kaum Zeit für richtungsweisende Innovationen, wenn mal mal von den ungewohnten Terminen der verschobenen Klassiker und deren Begleitumstände absieht. "Business as usual as possible" war dieses Jahr die Devise. Deutlich mehr Probleme hatten die kleineren Serien im Breitensport- und Markenpokalbereich, die – wenn überhaupt – nur ein Teilprogramm absolvieren konnten. Es war jedenfalls ein Jahr, in dem es sich streckenweise nicht lohnte Terminverschiebungen in die Kalender-Apps einzutragen – wir hoffen das wird sich zumindest 2021 ändern.
Denn überstanden ist die Pandemie-Situation nicht – die derzeit laufende zweite bzw. landesspezifisch schon dritte Welle ist was die Opferzahlen anbelangt weit heftiger als die erste die zum weltweiten Stillstand führte. Daher sind die geplanten Events bzw. Saisonauftakte für 2021 trotz der Zulassung erster Vakzine noch keine ausgemachte Sache, speziell was die nun aufgetretenen Mutationen anbelangt. Vor dem Sommer 2022 werden wir daher voraussichtlich noch keine normale Saison mehr erleben.
Damit werden auch die anstehenden technischen und reglementatorischen Änderungen in der Szene dieses Jahr nur angedeutet zu erleben sein. Immerhin hat der aufgrund der Pandemie gestrichene Winterkalender der FIA Langstrecken Weltmeisterschaft den wenigen übriggebliebenen Hypercar-Debütanten nun die nötige Atemluft gegeben um bis zum geplanten Saisonauftakt in Sebring die Autos funktionsfähig zu entwickeln. Das der ACO zudem endlich die Daytona Prototype-Idee der Shiluetten-Prototypen mehr oder weniger adaptiert hat, wird dann ab 2022 hoffentlich dem Werkssport in der WM die Bühne eröffnen die er schon seit Jahren hätte haben können. Und im kommenden Jahr werden wir zudem erleben was sich die noch an der GT3 interessierten Hersteller – es gab ja bereits erste Rückzüge – als nächste und vermutlich letzte Generation der GT3-Boliden vorstellen.
Denn hinter dem Horizont lauert schon der nächste Umbruch: neben der Pandemie, lastet auch der emissionsreduzierte Umbau des Mobilitätsangebotes als dringende Herausforderung auf den Automobilherstellern – und der lässt sich mit Vehikeln die weiterhin 45l/100km verbrauchen (man berechne Tankinhalte und Reichweiten der derzeit gebräuchlichen GT3-Boliden um diesen Wert zu verifizieren) nicht mehr marketingtechnisch vermitteln. Der ACO hatte schon vor Jahren erkannt das eine effiziente Energienutzung der Schlüssel für eine zukunftsträchtige Motorsportformel sein muss – freilich ohne diesem Prinzip konsequent zum Durchbruch zu verhelfen - man vergleiche die Verbräuche der LMP2 vor 20 Jahren und jetzt mal mit dem Level der GT3.
Die FIA ist da schon einen Schritt weiter und treibt aus diesem Grund die Einrichtung einer Electric GT-Plattform voran, auf deren erste Rennen wir aber noch ein wenig warten werden müssen. Der Motorsport wird sich wandeln – ob aufgrund der Pandemie langsamer (wegen nicht mehr so freigiebig sprudelnder Werksbudgets) oder schneller (wegen wachsendem legislativen Druck auf die Hersteller und ihre Marketingabteilungen) wird die Zukunft zeigen.
Uns sollten die damit verbundenen Begleitaspekte egal sein, solange spektakulärer Sport weitergeführt werden kann. Viel wichtiger wäre ein anderer Punkt: das der Verlauf der Pandemie es uns als Fans mal wieder erlaubt sich wie früher zu Mehreren Gleichgesinnten an der Strecke zu treffen und ohne Bedenken vor gesundheitlichen Folgen bei einem Bier (oder 2-3 oder 4....) über vergangene, jetzige und zukünftige Tage zu fachsimpeln. Das ist der Aspekt der alle Verschiebungen, Absagen, Rückzüge usw. in den Hintergrund treten lässt und von dem wir weiter optimistisch hoffen das er sich eher früher wie später realisieren lässt.
In diesem Sinne wünschen wir allen Lesern vom gesamten GT-Eins-Team ein vor allem erst mal gesundes 2021. Passt auf euch auf, damit wir die Rückkehr zur Geselligkeit vielleicht schon Mitte der kommenden Saison, aber auf jeden Fall 2022 erleben dürfen. Hier findet ihr auf jeden Fall auch nächstes Jahr ein Forum und eine informative Anlaufstelle für alle Sportwagenfans.