LMP1-Rückschau auf die 6h von Silverstone
Der Eindruck in Le Mans hatte nicht getäuscht - auch beim 2. Rennen des Toyota TS030 Hybrid-LMP1, den 6h von Silverstone (der Link führt zum vollständigen Rennbericht auf unseren Seiten) erwies sich die Neukonstruktion als starker Gegner für die Audi. Gleich von Anfang an konnte der Wagen im Renntrimm vom Tempo her mit den Audi mithalten und sogar für längere Zeit die Führung übernehmen. Theoretisch hätte sogar ein Rennsieg drin gelegen, doch die aus Mitarbeitern von TMG und Oreca zusammengesetzte Crew hat noch einige Details am Wagen auszusortieren, die in Summe den Erfolg verhinderten.
Die deutsch-französisch-japanische Mannschaft überraschte die Konkurrenz erst einmal mit einer aerodynamischen Weiterentwicklung. Dem reglementsbedingt auf 1,8m Breite beschränkten Heckflügel waren seit Le Mans Zusatzflügel gewachsen die separat auf den Kotflügeln montiert waren – ein Reglementsschlupfloch das Audi nicht ganz unbekannt vorkam. „Wir hatten vor der Saison über eine ähnliche Lösung nachgedacht, uns aber entschieden, aufgrund der zu erwartenden Diskussionen darauf zu verzichten“, gestand Joest-Renndirektor Ralf Jüttner. Der ACO musste nach genauer Prüfung die Zusatzflügel ebenfalls als reglementskonform einstufen, machte jedoch deutlich, dass das Schlupfloch bei nächster Gelegenheit geschlossen würde. Audi nahm es sportlich und verzichtete auf einen Protest, wobei Jüttner schon einen interessanten Unterschied gegenüber den immer noch wehmütig vermissten Peugeot ausmachte. „Das Verhältnis zu beiden gegnerischen Teams ist jeweils immer gut und von gegenseitigem Respekt gezeichnet gewesen – bei Peugeot zum Schluss sogar freundschaftlich. Nur haben wir bei Peugeot nie solch eine radikale Weiterentwicklung zwischen zwei Rennen erlebt wie jetzt hier bei Toyota.“
Jedoch zahlte man beim TS030 einen hohen Preis für den optimierten Abtrieb. Der Wagen entwickelte einen hohen Durst und musste alle 22-24 Runden die Box ansteuern – gegenüber 26 bzw. 27 Runden bei Audi. Die Ingolstädter hatten schon zu Zeiten des R8 LMP900 viel Augenmerk auf die Entwicklung effizienter, sprit-sparender Motor-Mappings gelegt, was man von Modell zu Modell verfeinerte. Im Endeffekt standen am Ende 8 Stopps für Toyota und je nur 7 für Audi zu Buche. Eigentlich wären es sogar 6 gewesen: Audi leistete sich an jedem der Wagen einen Schnitzer, als man beim R18 Tdi-ultra einen zusätzlichen Plattfuss beheben musste und der eTron-Quattro eine Durchfahrtsstrafe kassierte, weil Pilot Treluyer den Krohn-Ferrari in Stowe über den Haufen fuhr.
Doch dass Toyota das Rennen verlor, lag nicht an der mangenden Spriteffizienz: Die Mannschaft hatte ein Problem beim Befüllen des Treibstoffes, das gegenüber Le Mans aus unerklärlichen Gründen 8s länger pro Tankstop dauerte. Bei 8 Stopps verlor man so 64s - und der Rückstand auf Audi betrug am Ende 55s. Zudem hätte man sich wahrscheinlich bei der Safety-Car-Phase den Rückstand hinter dem 2. Safety-Car gespart. Ob es so zum Sieg gereicht hätte, ist fraglich da Audi am Ende im Economy-Modus fuhr. Das finale Duell zwischen Lotterer und Wurz wäre aber sicherlich hochdramatisch geworden.
Die privaten Teams hatten dem Speed der Werksboliden wenig entgegen zu setzen. Rebellion Racing schaffte es am Ende nur um Haaresbreite (0,6s), den Sieg in der Privatierswertung dgegen den anstürmenden Danny Watts im Strakka Racing-HPD ARX-03a LMP1 zu verteidigen. Die Lola-Mannschaft steuert nach eigenem Bekunden ersatzteilmässig auf einen Engpass zu, nachdem der britische Hersteller in die Insolvenz gegangen ist. Da auch keine Weiterentwicklungen zu erwarten sind, schaut man sich schon nach Alternativen um. Gespräche – unter anderem mit HPD – sollen schon im Gange sein.
Zumindest zeigte das verbliebene LMP1-Rumpffeld eine ungewohnte Zuverlässigkeit. Alle 7 antretenden LMP1 kamen im Endresultat auf den Plätzen 1-7 ins Ziel. Auch der Rest des Feldes glänzte mit einer Weltmeisterschaftlichen Zuverlässigkeit: Nur vier Wagen im 35 Autos starken Feld sahen nicht die Zielflagge, wovon in den letzten 10 Minuten zwei Wagen ausfielen. Den #71 AF Corse-Ferrari erwischte es gar in der letzten Kurve des Rennens – aber das gehört in eine andere Rückschau.