Rückblick auf Le Mans (aus sicherer Distanz ...)

Eine Woche Rekonvaleszenzzeit nach einem Rennbesuch sind selbst für unsere Berichterstatter ungewöhnlich lang. Aber vielleicht braucht es den Abstand von einer Woche, um die 80.ten 24h von Le Mans (der Link führt zum Rennbericht auf unseren Seiten) angemessen beurteilen zu können.

Es war nicht das ganz grosse Kino – so wie im letzten Jahr – was aber angesichts der Ausgangsbedingungen zu erwarten war. Es fehlten die adäquaten Gegner für Audi, obwohl Toyota positiv überraschte. Die Japanisch-Französisch-Deutsche Crew war mit ihren Wagen deutlich näher dran an Audi als Skeptiker zunächst befürchtet hatten. Der Speed war schon da - einzig Glück und Zuverlässigkeit waren noch nicht auf der Seite der Wiedereinsteiger. Allerdings hatte Toyota beim ersten Antreten in Le Mans auch nicht ganz die Mannstärke (70 Mitarbeiter) wie Audi (>200) aufgefahren.

  • Der Dreifachsieg der Ingolstädter verlief somit planmässig. Positiv fiel auf: Die vier R18-Crews dürften auch ein richtiges Rennen untereinander ausfechten. Das dokumentierten die Zwischenfälle der Piloten Dumas, Gene, McNish und Fässler. Am Glücklichsten kam die Crew der nun 2-fachen Sieger Lotterer / Fässler / Treluyer durch das Rennen. Der rennentscheidende Unfall McNishs hingegen stellte in Le Mans die Männerfreundschaft zwischen dem Schotten und seinen beiden Teamkollegen auf eine harte Probe.

  • Toyota fehlte zur ernsthaften Herausforderung einfach noch die Rennerfahrung mit dem eigenen Wagen. Was für eine Bedrohung der TS030 für Audi sicher noch werden wird, war schon daraus ersichtlich das die aus Toyota-, Oreca- und TMG-Mitarbeitern zusammengewürfelte Crew gleich beim ersten Renneinsatz schon den Speed fand, um die R18 aus eigener Kraft an der Spitze ablösen zu können. Im aktuellen Audi mögen noch 3-5s im Abstimmungsgewirr auf eine Runde an der Sarthe zu finden sein – im Toyota sind es mit Sicherheit das Doppelte. Der Rest der FIA Langstrecken Weltmeisterschafts-Saison dürfte richtig spannend werden!

  • Mit Andre Lotterer und Marcel Fässler standen zwei deutschsprachige Piloten ganz oben auf dem Treppchen. Nachdem die Eidgenossen über Jahrzehnte ganz lange keinen Sieger auf der Liste der Le Mans-Piloten ausweisen konnte, hat man nun einen Doppelsieger in den eigenen Reihen. Andre Lotterer hingegen hat nun mit ebenfalls zwei Siegen mit Manuel Reuter und Hans-Joachim Stuck gleichgezogen und ist auf dem Weg die vor ihm liegenden Piloten in der Statistik des Rennens (Marco Werner & Klaus Ludwig – je 3 Siege; Frank Biela: 5) aufs Korn zu nehmen. Zur Erinnerung: 16 Deutsche Fahrer haben bislang 28 Siege in Le Mans erzielt.

  • Dass Audi einen Vierfachsieg einfuhr verhinderten ebenfalls 2 deutschsprachige Piloten: Nick Heidfeld und Neel Jani profitieren vom 2-fachen Unfall der #3 in der Playstation-Schikane und plazierten ihren Rebellion Racing-Lola direkt hinter dem Audi-Podium auf P4. Anders als beim Schwesterfahrzeug hatte man in der Britisch-Schweizer-Mannschaft mit dem Trio Heidfeld / Jani / Prost die Kupplungsprobleme im Griff und konnte somit fast problemlos durchfahren.

  • Henri Pescarolo hat wohl mitlerweile einen Haken an das Rennen gemacht. Der neue Pescarolo 03 wurde aufgrund zu spät komplettierter Finanzierung zu spät fertig und erlebte im Rennen quasi seinen ersten Rollout. Dies war der Kerngrund der Pescarolo-untypischen Vorstellung mit vielen Problemen. Am Ende verhinderte nicht das noch grauslige Handling sondern eine schnöder Motorschaden eine mögliche Zielankunft. Den konnte man beim schon besser laufenden Dome zumindest so lange herauszögern das zumindest noch die Zielflagge – wenn auch ausserhalb der Wertung – entgegen genommen werden konnte. 

  • Mit 20 Autos trat das grösste LMP2-Feld der jüngeren Le Mans-Historie an. Die Spitze freilich machten nur knapp ein halbes Dutzend Autos untereinander aus. Den zweiten HPD-Sieg nach 2010 (Strakka Racing) konnte die amerikanische Starworks-Mannschaft in die Le Mans Bücher diktieren. Mit Pierre Kaffer im dritt-plazierten Pecom-Oreca konnte auch ein deutscher Pilot am Ende auf das Podium klettern.

  • Ob LMP1 oder LMP2: Judd-Motoren galten in diesem Jahr als ein Garant für den sicheren Ausfall. Ein Fakt dem auch das schlechte Ergebnis der Pescarolo-Mannschaft zugeschrieben werden muss. Von den 8 Mannschaften mit Treibsätzen aus der britischen Schmiede kamen lediglich 2 ins Ziel: Extreme Limite – die mit der Performance ihres Norma nie in die Versuchung kamen, den Motor am Limit zu bewegen -  und die eidgenössische Race Performance-Mannschaft, die mit der Leistung ihrer Mechaniker die Schwächen des Motors wett machte. Exemplarisch ein lakonischer Kommentar von Michel Frey zum letzten längeren Stopp der Crew: „Wir hatten ein kleineres Problem mit dem Ölfilter – da waren zu viele Teile vom Motor drinne ...“

  • 2 Deutsche Piloten schafften es auf das Podium der GTE-Pro: Zum einen war dies Dominik Farnbacher, der mit seinen Luxury Racing-Kollegen Fred Makowiecki und Jamie Melo als einziger das Tempo der Spitzenreiter von AF Corse mitgehen konnte. Eine Misskalkulation der Benzinmenge zum Ende des ersten Stints von Melo liess die Strassburger Mannschaft jedoch früh zum Jäger werden. Hingegen war der 3. Rang von Stefan Mückes Aston Martin Vantage (Teamkollegen: Turner & Fernandez) eine angenehme Überraschung. Mit Mücke dürfte sich auch die deutsche Einsatzmannschaft der Briten, das Paderborner Young Driver AMR-Team von Teamchef Hardy Fischer über das Podium freuen.

  • Nach Corvette (2011) und Porsche (2010) gewann endlich wieder einmal Ferrari die wichtige GTE-Klasse. Es war erst der dritte Sieg eines modernen GT-Ferrari in der Kategorie nach 2008 und 2009 und der erste des Modells F458 sowie der erste der AF Corse-Mannschaft. Der GTE-AM-Sieg ging hingegen zum zweiten Mal in Folge an die Larbre Competition-Corvette.

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