3:30 und die Folgen ...
Der ACO hat mit der Einführung der neuen Hypercar-Klasse auch eine Erhöhung der zukünftig an der Sarthe üblichen Rundenzeiten propagiert. Statt Rekordrunden von 3:15 mit den Hybrid-LMP1, sollen mit den „preiswerteren“ („nur“ noch 20 Mio€/Saison und Auto) Hypercars in Zukunft Levels von 3:30 min, also 210s pro Le Mans Runde, erreicht werden können. Ein Blick auf einige ausgesuchte Fakten zeigt jedoch das dieses hehre Ziel für zumindest eine weitere Klasse weitreichende Folgen haben könnte...
Wenn man sich die Bestzeiten im Rennen in diesem Jahr in allen Klassen anschaut, erahnt man welche Umbaumasssnahmen anstehen würden: Die Toyota-Werkshybrid-Wagen erreichten Zeiten um 3:17 ( 3:17,295), Die privaten LMP1 lagen dank einer EoT-Anpassung mit bis zu 3:18,7 nur knapp 1s dahinter und die schnellsten LMP2 erzielten Bestzeiten bis herunter zu einer 3:27,611 – waren also somit schon schneller wie die Hypercars in Zukunft sein sollen. Das dürfte somit dazu führen das der ACO das Rundenzeiten-Level der LMP2 zwangsweise mit anpasssen muss wenn die Hypercars nicht zur teuren 2.Klasse an der Sarthe mutieren sollen.
Langjährige Le Mans-Fans können sich noch dunkel an eine Zeit erinnern als die 3:30´er Marke schon mal als Schallmauer propagiert wurde. 2006 – zu Beginn der Diesel-Ära – markierte der schnellste Audi im Rennen eine Zeit von 3:31.211 die allerdings in den Folgejahren aus 3 Gründen immer weiter erodiert wurde. Zum einen setzte der ACO auf Grund des Drucks von Peugeot das Limit von Jahr zu Jahr halbherziger um (das französische Werk wollte mit seinen immer stärkeren 1000PS-Dieseln Rekorde für die Ewigkeit an der Sarthe einfahren, überliess diesen Erfolg aufgrund technischen Unvermögens aber dafür den deutschen Konkurrenten) . Zum Zweiten führten diverse Streckenumbaumassnahmen (neue Asphaltbeläge, asphaltierte Auslaufzonen und grosszügigere Curbs und Kiesbetten an Stellen wie Arnage) zu einer generell immer schnelleren Strecke die seitdem partout um 5s gegenüber vor 10 Jahren schneller wurde. Das Zu-Tode-Wettrüsten der Hybrid-Ära liess dann alle Hemmungen fallen und setzte das Limit bis auf 3:14´er Zeiten herab.
2006 war die Welt an der Sarthe so gesehen noch in Ordnung: die LMP1 fuhren 3:30´er Zeiten, die LMP2 niedrige 3:40´er Runden (3:41,555 für den Ray Mallock Ltd. MG-lola im Qualifying) die GT1 pendelten bei 3:55 und die GT2 bei 4:05. 10-15s müssten die LMP2 also 2021 beim ersten Antreten der Hypercars langsamer werden wenn man den Werken die Bühne der ersten Runden an der Sarthe lassen möchte und verhindern will das die neue Werksklasse nicht schon zum Start vom gesammelten Privatiersfeld über den Haufen gefahren wird.
Nun hat man die LMP2 ja erst vor 3 Jahren auf das neue Performance-Level gehoben, das 2007 noch von den LMP1 erreicht wurde. 2007 reichte bei den 1000km von Monza dem Peugeot von Gene/Minassian eine 1:34,503 zur Pole während der schnellste LMP2 (ASM-Quifel-Lola) eine 1:39,271 zur Klassenbestzeit reichte. 2019 betrug die Polezeit bei der ELMS-Runde in Monza schon 1:34.967 – erzielt von einem LMP2. Das zeigt das die LMP2 an der Sarthe um etwa 10-15s und auf den normalen Rennstrecken um etwa 5s eingebremst werden müssten um den Hypercars Platz zu machen. Die Teamchefs und ihre Kunden, die vor 3 Jahren Unmengen an Geld in das neue Equipment versenkt haben dürften hochbegeistert über diese Aussicht sein. Zumal ja just die LMP3 auch noch einmal 25 Extra-PS bekommen haben und somit die Rundenzeiten auf den normalen Rennstrecken (LMP3-Polezeit mit dem „alten“ Powerlevel in Monza 2019: 1:44.017) bei beiden Feldern eine Vermischung in den Rennen droht.
3 Lösungsansätze für das Problem deuten sich an.
- Fall A wäre: der ACO zieht die Neuordnung des Feldes konsequent durch und verprellt damit sämtliche LMP2-Teams die massiv eingebremst werden würden und bei den Serienläufen von den LMP3 durch den Fleischwolf gedreht werden würden , bis man diese auch noch einbremst und verärgert.
- Fall B: Der ACO setzt die 3:30´er Grenze genauso „konsequent“ um wie weiland zur Diesel-Ära und lässt „Fünfe“ (=3:25) gerade sein. Das ist nach den Erfahrungen des Autors dieser Zeilen das wahrscheinlichste Szenario, bedeutet aber dennoch eine weniger ausgeprägte Einbremsung des LMP2-Feldes auf ein 3:35´er Level und höhere Kosten für die Hypercars, was kleinere Teams wie Glickenhaus oder ByKolles Racing sicher bald aus der Klase treiben würde.
- Fall C: Man schützt die Privatiers und schickt die Werke auf ein 3:20´er Level und damit erneut in die Kostenspirale.
Im Falle der Einbremsung der LMP2 deutet sich ein Weg über die Treibstofflimitierung an, die angesichts des Einheitsmotors von Gibson recht schnell über die ECU realisiert werden könnte. Ein heutiger LMP2-Motor zieht einen 75l Tank an der Sarthe im Schnitt alle 10 Runden leer was die Teams alle 35 Minuten an die Box zwingt und laut Adam Riese einen Spritverbrauch von 55l/100km (1309 g CO2/km) nahelegt. (Bei 37 Tankstopps hat somit jedes LMP2-Team an der Sarthe in diesem Jahr 6,9t CO2 „rausgehauen“ – aber mit solch unnützem Wissen geben sich echte Motorsportfans natürlich nicht ab...) 2007 verbrauchte der siegreiche Porsche RS Spyder auf seinen 12 Runden-Stints lediglich 49l/100km und stoppte nur 30 mal, was zu einem weit übersichtlicherem Rennverlauf führte. Die Fortschritte des ACO in den vergangenen 10 Jahren in Punkto „Green Racing“ sind also - zumindest bei den LMP2 - weit geringer als bei der Disziplin des „Greenwashing“. Das es auch mit weniger und schneller geht beweisen die privaten LMP1 (maximal 52l/100km - je nach zugestandener EoT-Energiemenge) oder die Hybrid-Toyotas die auf maximal 32l/100km kommen. Hier könnte und sollte der ACO ansetzen, wenn es wirklich darum geht die LMP2 für die Zukunft neu einzusortieren.