Eine neue Ära in Le Mans... (Meinung)
...das ist ein wenig sarkastisch ausgedrückt die Quintessenz dessen was der letztendlich doch verfrühte Ausstieg von Porsche (man hatte erst kürzlich das 2014 gestartete 3-Jahres-Programm auf 2 weitere Jahre verlängert um nun doch nach der 4. Saison auszusteigen) für den ACO die FIA Langstrecken Weltmeisterschaft und das Highlight des 24 Stunden Rennen von Le Mans bedeutet. Angesichts der aktuellen Entwicklungen im VW-Konzern (Stichwort Dieselgate) über die Konzernpatron Piech – die treibende Kraft hinter dem Doppelengagement von Audi und Porsche in der technisch anspruchvollsten Sportwagenkategorie – schon vor 2 Jahren stolperte, war es nur eine Frage der Zeit wann der VW-Vorstand angesichts aus dem Ruder gelaufener Kosten für die Engagements (bei Audi angeblich 200Mio € pro Jahr) die Reissleine für die Werksprogramme ziehen würde. Man darf froh sein das dies nicht schon 2016 erfolgte. Die aktuellen Entwicklungen der Woche mit Rückrufen bei Porsche und drohenden Dieselfahrverboten mögen der letzte Sargnagel für die deutschen Hybrid-Prototypen gewesen sein. Aber schon die überbordenden Kosten, die alle bisherigen Interessenten an einem Neueinstieg noch zuverlässig abgeschreckt haben, hätten schon ohne die Belastungen bei der Serienfertigung den Prototypenprogrammen keine lange Zukunft beschieden.
Man darf gespannt sein, wie schnell angesichts des nun simultanen Einstiegs von Audi, BMW Porsche und Mercedes in die Formula E bald die nächste Dolchstosslegende unter den Fans angesichts der Rolle der FIA (analog zum Ende der Gruppe C durch die 3,5l-Formel) die Runde macht. Fakt ist das ACO und die Endurance-Komission der FIA der Kosteneskalation in der LMP1-H zu wenig und zu halbherzig entgegen getreten sind. Eine neue Ära wird nun mit Sicherheit in Le Mans und der FIA Langstrecken Weltmeisterschaft anbrechen (müssen), denn die auf der letzten Pressekonferenz angekündigten technischen Pläne bezüglich des Umbaus der Hybrid-Klasse sind nur bedingt zum Kostensparen geeignet. Die Option bis zu einer Runde rein elektrisch zu fahren und Plug-in-Hybrid-Aufrüstungen dürften auch bei vom ACO gestellten Einheitsteilen zusätzliche Kosten generieren. Die Fähigkeit der Regelmacher in ihrer Top-Klasse die Ausgaben zu reduzieren wird nur noch von dem Talent übertroffen die Rundenzeiten in Le Mans zuverlässig über einer stetig sinkende Mindestzeit zu halten.
Ein neues LMP1-Regelwerk stand beim ACO erst für 2020 auf der Agenda um die bislang angesichts der Kosten zaudernde Peugeot-Mannschaft zurück an die Sarthe zu holen. Nun müssen kurzfristig Lösungen her – und dabei müssen einige in den letzten Jahren hausgemachte Probleme angepackt werden:
- Zunächst muss Toyota bei Laune gehalten werden – angesichts nun fehlender Konkurrenz werden auch die Japaner nun mit einem Umstieg in die Formel E liebäugeln wo bei einem Bruchteil des Budgets ein Triumph bei einem Laufsieg über die deutsche Konkurrenz mehr wert sein dürfte, wie ein glanzloser Sieg über die LMP2-Konkurrenz in Le Mans – der dieses Jahr noch nicht einmal gelungen wäre. Ein baldiger Ausstieg der Japaner wäre daher konsequent und verständlich - und würde das endgültige Ende der Hybrid-Ära bedeuten.
- Potentielle Ersatzhersteller sind angesichts von „Eintrittsgeldern“ (sprich Entwicklungskosten) von 100.000.000€ pro Jahr realistisch in den nächsten 3 Jahren nicht zu erwarten. Was fehlt ist eine günstige Einstiegsmöglichkeit für interessierte Hersteller. Ein Einstieg in ein GT3-Programm ist heute für Entwicklungskosten von um die 10 Mio Euro zu bewerkstelligen – und das kann über den Verkauf der Autos sogar in eine profitable Einnahmequelle umgewandelt werden. Etwa in diesem Bereich müsste man potentiellen Herstellern wieder einen Einstieg ermöglichen – seien es LMP1-L, eine europäische Variante der DPi oder eine LMP2-Pro wie sie de Facto bei Signatech-Alpine trotz formalem Verbot im Reglement schon praktiziert wird.
- Die nun im kommenden Jahr ein Revival erlebende LMP1-L-Klasse wird mit den Konstruktionen von CLM (Kolles), Ginetta , SMP-Dallara und Perrin erst einmal ihre Zuverlässigkeit unter Beweis stellen müssen. Weniger bei den Chassis, wo aus den LMP2 genügend Know how da ist, als bei den Triebwerken die mehr Leistung als der standardisierte Gibson generieren müssen.
- Die als möglicher Ersatz ins Spiel gebrachte DPi-Klasse der IMSA sollten angesichts limitierten Budgets und Interesses der beteiligten Hersteller Cadillac, Mazda und Nissan nicht zu viele Erwartungen entgegen gebracht werden. ACO und IMSA haben in der Vergangenheit noch jeden Versuch einer Zusammenarbeit auf diesem Feld an technischen Kleinigkeiten scheitern lassen und Le Mans wäre angesichts seiner speziellen Charakteristik in jedem Fall mit zusätzlichen Entwicklungskosten verbunden, wenn man dort mehr als nur die Rolle als kostenintensiver Feldfüller einnehmen will.
- Ein reines LMP2-Feld in der lediglich als Privatiersklasse vorgesehenen Kategorie klingt zwar sportlich nach einer attraktiven Lösung - würde aber den ACO mit einem Riesen-Budgetloch zurück lassen, da ein Grossteil der Infrastruktur-Kosten (Live-Übertragungen, Sensorik, etc.) von den Herstellern querfinanziert wurde. Eine LMP2-Pro-Klasse – in der der vom Reglement vorgeschriebene Amateur im Lineup durch einen dritten Profi ersetzt würde würde das Budgetproblem auch nicht lösen. Zudem ist der Geschwindigkeitszuwachs der neuen LMP2 in diesem Jahr so eklatant ausgefallen das die DPi und die LMP1-L zusätzliche Kosten in Kauf nehmen müssen um zumindest an der Sarthe noch vor dem breiten Feld der erstaunlich zuverlässigen Privatteams ins Ziel zu kommen.
- Was nicht zu befürchten ist – zumindest laut dem ACO – ist der Verlust des WM-Status. Sollte die LMP1-Hersteller-Wertung nun unter den Tisch fallen so bleibt dem ACO immer noch die kombinierte LMP-Fahrerwertung (für LMP1 und LMP2-Piloten) sowie die GTE-Hersteller- und Fahrerwertung die eine WM rechtfertigen. Mehr Sorgen wird man sich beim ACO da eher um die bestehenden TV-Verträge machen von denen nun ein Grossteil obsolet werden dürfte.
- Die GTE dürften angesichts der weiter fortgeführten Engagements von Ferrari, Porsche, Aston Martin Ford und bald auch BMW (Corvette sträubt sich ja noch) zu mehr als nur einen Rettungsanker für die Serie agieren. Angesichts bereits in Vorbereitung befindlicher neuer Features wie Qualifikationsrennen für die GTE könnten uns hier interessante Rennverläufe in der schon bereits eng umkämpften Klasse ins Haus stehen.
- Das Aus der jetzigen LMP1 könnte zumindest die potentielle Fehlentwicklung bei den GTE-Am bremsen: war zuvor schon über ein Ende der Amateur und Privatiersklasse nachgedacht worden, so sollte nun klar sein das man die Privatiers auf jeden Fall noch braucht um das Feld in Zukunft noch voll zu bekommen. Mit weniger Rennen für die nicht an Budget- sondern an Zeitmangel knapsenden Privatfahrer könnte man deren Bedürfnissen am ehesten entgegen kommen.
Aus all diesen Faktenlagen ergeben sich eine Menge Handlungsoptionen für den ACO und die FIA - packt man davon nur einige an dann dürften sich interessante Optionen ergeben die dann wirklich eine neue Ära in Le Mans einläuten könnten.