Sportsgeist und Fairness in der WEC - 2 Fallbeispiele
Oft wird er beschworen: der Sportsgeist in der Sportwagenszene. Wenn die Teams sich auf der Strecke einen harten Schlagabtausch liefern soll es daneben fair und ehrenhaft zugehen. So lautet zumindest das Ideal. Wer die Szene länger kennt weiss das es vielerlei Ausprägungen dieses Ideals gibt. Die vergangenen 24h von Le Mans lieferten Beispiele für beide Extreme – pikanterweise beide in Werks-dominierten Klassen. In der GTE-Pro zum Beispiel mag Ford mit dem Sieg 50 Jahre nach dem ersten Gesamterfolg Geschichte geschrieben haben. Ob sie damit auch die Herzen aller Fans gewonnen haben, mag jeder nach der folgenden Story – und dabei geht es noch nicht mal um die viel diskutierte BoP - noch einmal selbst beurteilen. Wie unsere Kollegen von Dailysportscar.com kurz nach Le Mans enthüllten, hatten die beiden Zeitstrafen für das erst und zweit-plazierte Team, den Ford GT #68 und den Risi Competitione Ferrari F488 nämlich eine pikante Vorgeschichte:
In der letzten Stunde kämpften sowohl der Ford als auch der Ferrari noch um die vordersten Podiumsplätze. Als am Ferrari eine der für den Rennbetrieb eigentlich völlig irrelevanten Positionsleuchten ausfiel, bereitete das Ford-Team einen technischen Protest vor. Bevor dieser an den ACO lanciert wurde, schickte man durch einen Bediensteten eine Botschaft an die Ferrari Mannschaft: entweder diese sollte den Defekt freiwillig bei einem dann längeren Stop beheben – was so ganz nebenbei Ford einen Doppel- oder sogar Dreifach-Sieg gesichert hätte - oder man würde den Protest umgehend beim ACO einreichen, was die Mannschaft dann inklusive einer Zeitstrafe wohl endgültig aus dem Rennen um einen Podiumsplatz gekegelt hätte.
Es spricht einiges für den Sportsgeist von Giuseppe Risi das er dem zweifelhaften Ansinnen nicht nachgab und den Ford-Bediensteten umgehend vor die Tore seiner Box komplimentieren liess. Es folgte umgehend die Verwarnung durch die Rennleitung die Pilot Tony Vilander aber konsequent ignorierte. Pikantes Detail am Rande: auch der führende Ford hatte - wie Risi nicht, aber der ACO schon wusste - mit einem Defekt zu kämpfen: einer der Radsensoren zeigte keine Werte mehr an die ACO-Telemetrie an. Hätte man konsequenterweise beide Defekte beheben müssen wäre der Risi-Wagen nach vermutlich 2 Minuten (Austausch einer Tür) wieder auf der Strecke gewesen. Die führende Ford-Mannschaft hätte sich aber vom Gedanken an einen Podiumsplatz nach einem Fahrwerksaustausch verabschieden müssen. Das der ACO daher über die konsequente Weigerung von Tony Vilander nach der schwarzen Flagge an die Box zu kommen, lediglich eine 30s Strafe verhängte, dem Ford hingegen aber über 2 Minuten abknöpfte und damit die Zielreihenfolge unangetastet liess, lässt auch den oftmals in Zweifel gestellten Sportsgeist der französischen Rennkommissare in einem wohlwollenderem Licht erscheinen.
Das man sowohl sein Rennen als auch Sympathien, anders und effizienter gewinnen kann bewiesen die Gesamtsieger von Porsche die ihren überraschend eingefahrenen 18. Sieg nicht nur mit den vorfabrizierten Anzeigen feierten. Es gab daneben noch eine ganz besonders speziellen Anzeigen-Aktion (siehe Bild nebenan) mit der man den durch ein unfassbares Rennpech geschlagenen Konkurrenten von Toyota öffentlich den höchsten Respekt zollte. Schon unmittelbar nach dem Rennen waren auf der Siegesfeier von Porsche die zum Anstandsbesuch eintreffenden Toyota-Piloten und -Techniker mit Standing Ovations vom gesamten Porsche Team empfangen worden. Mitleid und Emphatie für das Pech von Kazuki Nakajima, Anthony Davidson und Sebastian Bumi wurde auch im Jubel über den eigenen Sieg nicht vergessen. In der LMP1-Szene zumindest sind der Sportsgeist und die damit direkt verbundenen Sympathien der Fans noch intakt – das sollte auch einigen Herren in Detroit zu denken geben...