Silverstone: Analyse der Top-Klasse
Der Saisonauftakt zur FIA Langstrecken Weltmeisterschaft ist Geschichte. Was bleibt ist der Eindruck, dass mit Audi und Porsche zwei der drei Hersteller auf Augenhöhe kämpfen und ihre unterschiedlichen Stärken gnadenlos ausspielen wollen. Toyota haben die beiden deutschen Hersteller schlagen können – doch es war von vornherein klar, dass das japanische Werksteam mit Sitz in Köln mit der Streckencharakteristik zu kämpfen hat. Es fehlten einfach die harten Bremszonen um den Energiespeicher der Superkondensatoren maximal aufzuladen.
Audi und Porsche hingegen konnten ihre Vorteile nutzen und zeigen, wo der Hammer hängt; im wahrsten Wortsinn zeigte sich der Porsche 919 Hybrid als Dampfbrumme: Im Schnitt der 50 schnellsten Topspeeds (1/4 der Renndistanz) auf der Hangar-Straight führt der zweitplatzierte Porsche #18 die Hitliste klar an mit 288,2 km/h. Mit einem Respektabstand folgt der Toyota TS040 Hybrid #1 und 279,3 km/h. Beim siegreichen Audi R18 e-tron Quattro #7 war im Rennen klar zu beobachten, dass hier noch Potenzial besteht: mit 271,2 km/h stehen im Schnitt ganze 17 km/h weniger zu Buche als beim Porsche – das ist mehr als eine Welt.
Die auf den Geraden verlorene Zeit hat man sich in den Kurven zurückgeholt, denn hier war Abtrieb gefragt. Gerade der 2. Sektor mit der Kurvenkombination Maggots, Becketts und Chapel war das Revier der Audi. Hier gewann man auf die Porsche 3,5 Zehntel, auf die Toyota gar fast eine halbe Sekunde. Genau der zweite Sektor war es, der Toyota viel Zeit kostete – im weiteren Saisonverlauf wird sich zeigen, ob es nur am für Silverstone nicht optimalen Hybridsystem lag, oder ob die Konkurrenz beim Abtrieb im Winter mehr zulegen konnte.
Die etwas kürzeren Sektoren 1 und 3 zeigen keine weiteren Auffälligkeiten: Alle drei Hersteller liegen innerhalb 1-2 Zehntelsekunden, Audi immer in Front.
Was hat am Ende den Unterschied gemacht und dazu geführt, dass Porsche trotz eines eingesparten Boxenstopps gegenüber den Mitbewerbern „nur“ auf Platz zwei gelandet ist? Audi war auf Dauer einfach zu schnell und bei der Reifennutzung vorne, da halfen auch die längeren Stints der Porsche (30 Runden, Audi und Toyota 28 Runden) nicht aus. Selbst eine Stop&Go-Strafe, die Marcel Fässler im Audi kurz vor Rennende antreten musste konnte der Crew Fässler/Lotterer/Treluyer den Sieg nicht mehr nehmen. Während Porsche und Audi nur auf den ersten Blick die gleiche Pace gehen konnten, zeigte Toyota zwar eine gute Konstanz, doch es fehlte das letzte Quäntchen Speed. Dennoch fehlte nicht viel auf Porsche: Trotz eines Stopps mehr lag man nach6 Stunden nur 10 sek zurück. Im Schnitt der 50 schnellsten Rennrunden (betrachtet nur die bestplatzierten Autos jeder Marke) führte der Audi #7 mit 1:42,461 min vor Porsche 1:43,035 min und Toyota mit 1:43,178 min.
Aus den Daten sehen wir: Benoit Tréluyers schnellste Rennrunde war 0,9 sek schneller als die zweitbeste Runde der #1. Bei der Konkurrenz waren die Abstände hier wesentlich geringer. Bei Toyota schaffte Sebastien Buemi ein Kunststück: Die schnellste Rennrunde der #1 fuhr er gleich zweimal; in Runde 4 und noch einmal in Runde 187. Audi und Porsche erreichten ihre besten Zeiten allesamt zu Beginn eines Stints mit frischen Reifen, Buemi einmal zu Beginn und einmal zum Ende eines Stints. Soweit ein erster Blick in die Daten.
Auf den ersten Blick auch recht aufschlussreich – doch wir sollten nicht vergessen, dass wir drei Giganten mit unterschiedlichsten Verbrennungs- und Hybridsystemen sehen, die ihre Stärken je nach Strecke unterschiedlich gut ausspielen können. Der Highspeed-Kurs im belgischen Spa-Francorchamps am ersten Maiwochenende könnte uns schon wieder ein ganz anderes Bild zeigen.