SRO GT4-Pläne für 2018: Ambitioniert, aber sinnvoll (Meinung)
Auf den ersten Blick nicht ganz einleuchtend erschienen vielen Lesern wohl die von Stephane Ratel in Spa präsentierten Pläne für einen erneuten Umbau der europäischen GT4-Landschaft. Nachdem die Szene 2017 ihr erstes richtiges Boom-Jahr seit langem erlebt, wäre eventuell zu erwarten gewesen, dass man – getreu dem Informatiker-Motto „Never change a running system“ – für die kommenden Jahre an der momentanen Serienstruktur festhält. Nicht aber mit Stephane Ratel: Der GT-Supremo will nun die GT4-Serie auf ein breiteres Fundament stellen. In unseren Augen eine richtige Entscheidung.
Zunächst muss konstatiert werden, dass die aktuelle Serienstruktur der GT4-European Series mit Northern Cup und Southern Cup und jeweils drei punkteberechtigten Gastrennen im jeweiligen Partner-Cup übermäßig komplex war und weder bei den Teams noch bei den Medien und den Fans gut ankam – die Aufmerksamkeit konzentriert sich fast gänzlich auf die separaten Teil-Meisterschaften. Über den Stand der Gesamtmeisterschaft finden sich noch nicht einmal auf den jeweiligen Serien-Homepages aktuelle Informationen, was aber nicht weiter tragisch ist, da sich bisher ohnehin nur eine sehr überschaubare Anzahl von Teams für das Antreten bei den „Auswärtsspielen“ in der jeweils anderen Teil-Serie gefunden hat und der Gesamttitel damit alles andere als heiß umkämpft ist. Mit der Umstrukturierung auf nur eine europäische Meisterschaft mit einer überschaubaren Anzahl von Wertungsläufen tut man sich damit sicher einen Gefallen.
Dazu kommt, dass die Gelegenheit für eine Expansion der GT4-Plattform aktuell sehr günstig ist – die Einführung der Kundensport-Projekte von Audi, BMW und Mercedes dürfte zu einer deutlichen Zunahme an Aufmerksamkeit und Startern in der Szene führen, so dass die Einrichtung eines zentral-europäischen, auf Deutschland konzentrierten, Cups durchaus erfolgversprechend erscheint. Damit die Einführung dieses Cups nicht zu Lasten des zukünftigen „Oberhauses“ - also der GT4-European Series – geht, deren Teams aktuell zu gut 50% aus dem deutschsprachigen Raum stammen, haben Ratel und GT4-Serienorganisator Max Braams mit zweierlei Maßnahmen vorgebaut: Zum einen durch die Beschränkung von reinen Silber-Fahrerpaarungen auf die Europa-Serie und zum anderen durch den – nicht zuletzt durch die gesicherten Live-Übertragungen – attraktiven Kalender. Das größere Risiko dürfte damit eher sein, dass die Mitteleuropa-Serie nicht so Recht in Gang kommt. Hier setzen die Serienorganisatoren wohl auf die Tatsache, dass weitere Teams aus Deutschland und den umliegenden Ländern durch die Ankunft der Kundensportprogramme der deutschen Premiumhersteller in die Serie gelockt werden. Eventuell pokert man auch darauf, dass eine Reihe von Teams aus der gerade in Deutschland bereits überhitzten TCR-Szene in die GT4 wechselt.
Am Unklarsten sind Ratels Pläne aktuell noch für Großbritannien, wo man einen „British GT4 Cup“ größtenteils aus der Britischen GT-Meisterschaft ausgliedern will. Offen sind hier vor allem noch die Fragen nach der Zusammensetzung des zukünftigen Feldes in der offiziellen Meisterschaft, welches aktuell aus knapp einem Dutzend GT3-Autos und etwa 20 GT4-Fahrzeugen besteht. Sollte es zu einem kompletten Abzug der GT4 aus der Meisterschaft kommen, hätten die GT3-Fahrzeuge alleine also mithin ein sehr übersichtliches Starterfeld. Daneben stellt sich auch die Frage nach der Zukunft der in Großbritannien schon bewährten reinen Silber-Paarungen in der GT4-Klasse, welche nach Ratels Plänen von den regionalen Cups ja eigentlich ausgeschlossen sein sollten. Eine mögliche Lösung beider Probleme könnte sich eventuell ergeben, indem man die Silber-Fahrer aus der GT4 in der offiziellen Meisterschaft belässt und nur die Pro/Am-Teams in den neuen Cup ausgliedert. Mit etwas Optimismus könnten in diesem Szenario durchaus je ca.20 Autos für beide Serien vorstellbar sein.