GT Masters Most - fehlt die klare Linie?

Das ADAC GT-Masters Wochenende in Most (der Link führt zum ausführlichen Rennbericht auf unseren Seiten) endete mit 2 Siegen für Audi und Corvette. Doch die eigentliche Story des Rennens lieferten wieder einmal die Rennkommissare des DMSB. Umstrittene Entscheidungen und eine nicht immer klare & einleuchtende Linie sorgten im Nachklang der beiden Rennen für jede Menge Diskussionen und Unmut.

Handeln wir zuerst die sportlichen Fakten ab: im Vorjahr hatten bei den ersten Rennen der Meisterschaft auf dem böhmischen Kurs Audi (BWT Mücke Motorsport) und Mercedes (HTP-Motorsport) die Lorbeeren abgegriffen. In Lauf 1 lieferten die Neueinsteiger von HCB Rutronik Racing ihr erstes Meisterstück ab und fuhren mit dem Audi R8 LMS GT3 von Patrick Niederhauser und Kelvin van der Linde nach der ersten Pole-Position einen lupenreinen Start-Ziel-Sieg ein. Dahinter kletterten der #63 Grasser Racing Team Lamborghini Huracán GT3 von Bortolotti/Engelhart und - 2h nach dem Rennen - der Land Motorsport Audi von Hofer/Mies auf das Podium, nachdem zunächst die RWT-Corvette-Besatzung Barth/Jahn auf dem Treppchen gestanden hatte jedoch nach dem Rennen eine 1s Zeitstrafe für einen vermeidbaren Kontakt erhalten hatten.

Rennen 2 wurde wegen eines Unfalls des Herberth Motorsport Porsches nach einem Kontakt mit der RWT-Racing-Corvette zwischenzeitlich mit der roten Flagge unterbrochen. Das danach über eine verkürzte Zeitdauer neu gestartete Rennen gewann das Callaway Competition Corvette-Duo Marvin Kirchhöfer und Markus Pommer vor der von der Pole gestarteten Grasser Racing Team Besatzung Perera/Ineichen und der RWT-Racing-Corvette von Jahn/Barth.

Letztere zeichneten für den grossen Aufreger des Rennens verantwortlich. Das der Unfall von David Jahn mit Herberth Pilot Thomas Preining am Ende von den Rennstewards als normaler Rennunfall eingestuft und nicht geahndet wurde, überraschte wohl die beiden Corvette-Piloten mit am meisten. Bei aller Sympathie für die familiäre Truppe um Teamchef Gerd Beisel und seine beiden Piloten waren sich die Teilnehmer unisono einig, das die Kollision dem hinter dem Porsche fahrenden Jahn anzukreiden war, der in Turn 6 eine Lücke sah die der Porsche aber aufgrund der Ideallinie zum Anbremsen der Kurve wieder schliessen musste. „Wer hier zu überholen versucht, gehört therapiert!!“ fasste es ein Teamchef, dessen Name uns spontan entfallen ist, am Ende zusammen.

Lediglich die Stewards des Meetings konnten sich dieser Auffassung des Feldes nicht anschliessen und stuften den Vorfall als normalen Rennunfall ein. Eine Einschätzung, die der Rest der Teilnehmer angesichts der zuvor in beiden Rennen vergebenen Strafen mit Fassungslosigkeit und Kopfschütteln quittierte – denn da hatten Rennleiter und die Stewards sich noch in konsequenter Regelanwendung zu überbieten versucht. Eine Auswahl der Entscheidungen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

- Startunfall in Rennen 1: HCB Rutronik Racing Pilot Dennis Marschall räumt nach einem Verbremser 3 Wagen in der ersten Schikane ab; er und der MRS-BMW von Sylvest sowie der Team 75 Porsche von Bernhard fallen aus. Strafe: Zurückversetzung um 10 Gridpositionen für Teamkollegin Carrie Schreiner (?) im darauf folgenden Rennen.

- 3 Wagen benutzen aufgrund des ausgebrochenen Chaos beim Start den Notausgang und gewinnen, da sie nicht Ping-Pong spielen oder im Kies landen wollen, trotz der Bremsreifenstapel aufgrund des ausgebrochenen Chaos einige Positionen. Der Zeitgewinn von etwa 5s wird am Ende mit einer 30s Zeitstrafe geahndet der 2 der 3 Wagen aus den Punkten wirft.

- Alle Strafen werden ausgesprochen, obwohl die Rennleitung 2 Runden nach dem Rennstart zur Verwunderung der Beobachter die Meldung „Start ok!“ über die Zeitnahmeschirme schickt.

- Sven Barth berührt im Kampf um P3 Chris Mies und verbiegt den Heckdiffusor des Land-Audi dabei. Die RWT-Corvette zieht vorbei. Der Rennleiter vermeldet nach kurzer Untersuchung „no further action“. Die Stewards des Meetings (beide Funktionen werden von DMSB-Mitgliedern ausgeübt) greifen den Vorfall trotz ausbleibendem Protest von Land Motorsport dennoch nach dem Rennen auf und verhängen gegen Barth einen 1s-Zeitstrafe, die die RWT-Corvette vom Podiumsplatz 3 auf P4 zurückfallen lässt.

- Start Lauf 2 – im engen Pulk wird Pierre Kaffer von Aust Pilot Hackländer umgedreht und fällt aus. Hackländer kassiert eine Durchfahrtsstrafe.

- Jahn schickt in Runde 10 den mit der Haube vor ihm liegenden Herberth Porsche (definitiv keine gleiche Höhe !!) beim Anbremsen in Turn 6 in die Leitplanken und gewinnt dadurch einen Platz. Das Rennen muss mit roter Flagge kurzzeitig unterbrochen werden – laut Stewards nach Sichtung aller Aufnahmen ein normaler Rennunfall.

- Bei MRS GT-Racing steht beim Fahrerwechsel der ausgestiegene Jens Klingmann noch vor der weissen Linie an der Box als Teamkollge Sylvest losbraust: 30s Zeitstrafe.

- GRT-Pilot Bortolotti dreht den KÜS Team 75 Bernhard Porsche von de Leener in der ersten Schikane um; der fällt in der Folge wegen Kies in den Bremsen aus: es folgt die Durchfahrtsstrafe für Bortolotti.

- Callaway Competition Pilot Pommer legt seinen Gurt nicht richtig am HANS-System an. Dennoch darf die Mannschaft am Ende gegen Zahlung einer Geldstrafe den Sieg behalten.

Das beide Corvette-Mannschaften in Lauf 2 eher von den Entscheidungen der Kommissare profitierten, lässt die Publikumslieblinge bei den Konkurrenten, die mehrheitlich die C7 als von der BoP bevorzugt verdächtigen (das ist jedoch eine seperate Geschichte), nach diesem Wochenende nicht gerade beliebter werden. Doch die Verantwortung für das Strafmass und dessen nicht immer einleuchtender Dosierung liegt nun mal beim Rennleiter und den Stewards. Wenn die Vermeidung eines Unfalls oder einer möglichen Kollision (s.o. : 3 Wagen benutzen den Notausgang..) mit 30s Zeitstrafe geahndet werden und das Auslösen eines Unfalls dagegen gar nicht, dann ist das weder Fahrern noch Zuschauern zu vermitteln.

Was tun? Am Abend von Lauf 1 haben wir im Fahrerlager einen Interessanten Vorschlag vernommen. Ein Grandsteward, bei dem es sich um einen erfahrenen, aber nun nicht mehr aktiven Racer ohne noch vorhandene Markenbindung handeln sollte, könnte mit seiner Erfahrung ein Vetorecht bei derart strittigen Entscheidungen bekommen. Es müsste jemand sein der vom ganzen Feld akzeptiert ist, der genug eigene Schlachten auf ähnlichem Level wie jetzt im Masters geschlagen hat und der selber noch aus seiner eigenen Erfahrung praxisnah einschätzen kann, wann ein Kontakt als obligatorische Rennaction und wann als unfair eingestuft werden muss.

Das könnte in der Tat ein Weg sein eine klare allgemein akzeptierte Linie in die Beurteilung von Zwischenfällen ins Masters hineinzubekommen. Denn eins wurde in Most wieder einmal offensichtlich: bei bis zu 27 Fahrern innerhalb einer Sekunde hat diese Rennserie ein weltweit einmalig hochklassiges Niveau. Also braucht es auch bei der Rennleitung ein entsprechend weltweit einmalig hochklassiges Personal.

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