Hans Reiter: "Die Wand kommt näher"
Anlässlich der 12h von Hockenheim bekamen wir vor etwas über einer Woche auch noch mal die Gelegenheit uns mit Hans Reiter, dem Chef von Reiter Engineering, zu unterhalten. Seine Mannschaft setzte dort 2 KTM GTX in der GTX-Klasse ein, in der man am Ende mit dem Felbermayr-KTM von Horst Felbermayr Jr., Eike Angermayr, Nicolai Elghanayan und Mads Siljehaug den zweiten Rang in der Klasse erzielen konnte, während der zweite, weisse Sareni-KTM von Peter Kox, Nico Pronk und Dennis Retera das Ziel aufgrund diverser Motor und Elektrik-Probleme nicht sah.
„Der weisse Wagen ist ein Chassis das wir vor einer Woche bei der GT2-Runde hier in Hockenheim bereits eingesetzt hatten und den wir für den Einsatz hier auf die GTX-Konfiguration umgebaut haben. Solch ein Umbau ist relativ simpel – dafür muss nur der Motor ausgetauscht werden, wofür man in etwa einen Tag an Arbeit veranschlagen muss. Der blaue Felbermayr-KTM ist von vornherein als GTX für die Langstreckenrennen der Creventic ausgelegt worden und hat mit dem Rennen hier nun schon über 10.000km auf der Uhr. Das wir als Aufbauteam den Einsatz durchführen gibt uns dann auch direkte Erkenntnisse welche Details an den Wagen noch zu verbessern sind.“
Reiter nannte uns auch einige Produktionszahlen sowie Eigenheiten des GTX den er zusammen mit dem GT2 als kommendes neues kommerzielles Standbein für Reiter Engineering begreift. „Verglichen zum zurück gehenden Absatz der GT4 bieten uns die GT2 bzw. GTX ein neues lukratives Geschäftsfeld. Bis jetzt sind mehr als 25 Wagen des GTX/GT2 verkauft worden und davon schon mehr als 20 ausgeliefert worden. Die meisten werden derzeit in der GT2-Konfiguration bestellt. Etwa 25% sind GTX. Die Absatzzahlen für den GT4 stagnieren hingegen. Hier machen wir derzeit das meiste Geschäft derzeit mit dem Verkauf der Evo-Kits.“
„Beide Konfigurationen des neuen Autos bieten eine Menge Fahrleistung fürs Geld. Für den Preis der in etwa dem eines aktuellen Cup-Porsche entspricht, bekommt man einen Wagen der schneller ist und spektakulärer aussieht.“ Wie man angesichts der in Hockenheim gezeigten Rundenzeiten demonstrieren konnte war der GTX klar schneller wie der 911 Cup MR, der ja auch schon eine Verbesserung des alten Porsche 911 GT3 Cup (991 Gen2) darstellt . Nur 2 ärgerliche Defekte – ein durchgescheuertes Kabel und ein abgesprungener Keilriemen – standen dem Klassensieg am Ende im Weg.
Angesichts des Erfolges sieht sich Reiter bei der Entscheidung bestätigt, die GT2 statt eine mögliche GT3-Konfiguration für die Entwicklung präferiert zu haben – speziell nach den anstehenden kommenden Entwicklungen in der SRO-Paradeklasse...
„Auch Stephane Ratel ist mittlerweile bezüglich der Zukunftsaussichten der GT3 sehr negativ eingestellt und pusht daher die GT2 wo es nur geht. Die GT3 sind schon in der Vergangenheit immer professioneller geworden und haben sich durch ihren Erfolg immer mehr vom klassischen Kundensport weg entwickelt. Selbst in vielen SRO-Serien hast du nur noch mit reinen Werksfahrercrews eine Siegchance. Das wird mit dem 2022 zu verabschiedenden, kommenden neuen GT3-Reglement und dem Ende der GTE noch schlimmer werden, weil dort eine Kostenspirale in Gang gesetzt wird die das Ende der Klasse schon absehbar erscheinen lässt. Die Erstellung dieses Reglements wird alleine von der FIA vorgenommen. Die SRO ist dort nicht mehr involviert. Im neuen Reglement werden zum Beispiel Details wie der Radstand der Fahrzeuge deutlich freizügiger behandelt was zu aufwändigen Umbauten führen wird. Du wirst diese neuen Wagen kaum unter 600.000€ bekommen können - von den Einsatzkosten ganz zu schweigen! Da diese Wagen die GTE in der FIA Langstrecken Weltmeisterschaft und in Le Mans ablösen werden werden die Werke keine Mühen scheuen die Autos dafür masszuschneidern, koste es was es wolle. Das wird dann dazu führen das die GT3 für Privatiers kaum noch zu bezahlen sein werden und das sich die Budgets noch mehr auf Le Mans und die grossen Rennen konzentrieren werden. Die GT3 Klasse wird gegen eine Wand gefahren und die kommt nun immer näher!"
"Hinzu kommt das der GT3 in der LMDh-Klasse eine gewichtige Konkurrenz im Ringen um die Werksbudgets erwächst. So billig wie in den kommenden Jahren wirst du nie wieder in Le Mans um den Sieg fahren können. Die derzeitigen Subventionen der Werke in die GT3-Szene werden dann nach Le Mans und in die ACO-Serien umgeleitet werden. Inwieweit sich dann auf Dauer noch nationale GT3-Serien wie das ADAC GT-Masters halten können, wirst du abwarten müssen. Die Privatiers werden sich eine preiswertere und bezahlbarere fast gleich schnelle Plattform suchen müssen und das wird dann nach den Vorstellungen von Ratel die GT2 sein.“
Eine Chance, das die alten GT3 doch noch eine Rolle im Kundensport spielen werden, sieht Hans Reiter eher nicht: „Die Erfahrung zeigt, das unmittelbar nach einem Modellwechsel der Absatz an Ersatzteilen für die alten Wagen recht schnell einbricht. Im ersten Jahr nach der Einführung eines neuen Modells machst du für die alten Wagen nur noch grob 20% des Ersatzteilgeschäfts und das wird dann sukzessive weniger. Das liegt auch daran das die Kunden zum Grossteil immer das aktuellste Auto einsetzen wollen, weil sie denken nur damit ganz vorne eine Chance zu haben. Dabei kannst du mit einem alten GT3 in Serien wie der Creventic durchaus noch Erfolge einfahren. Ich glaube nicht das ein alter Gallardo, den du durchaus in der GTX-Klasse hier einsetzen könntest, im Kampf um Podiumsplätze oder Klassensiege chancenlos wäre. Aber die meisten Wagenbesitzer die sich einen GT3 zulegen haben hauptsächlich Gesamtsiege im Sinn.“
Auf Nachfrage hin gestand Reiter das ihn auch das Thema LMP reizen würde. „Einen LMP3 zu bauen wäre eine reizvolle Aufgabe. Nach den ganzen Erfahrungen die wir mit den Carbonchassis der KTM in der GT4 und nun in der GT2/GTX gesammelt haben, wäre der Bau eines kosteneffizienten LMP3 durchaus etwas, was ich uns zutrauen würde und was nicht so anders wie die Konstruktion der KTM wäre. Aber leider haben wir den Zeitpunkt der letzten Ausschreibung des ACO verpasst. Wenn sich da keine zusätzliche Gelegenheit ergibt, werden wir da wohl keinen Fuss in die Tür bekommen.“
Laut Reiter gehören sowohl der Aufbau der Chassis als auch die Entwicklungseinsätze untrennbar in eine Hand. „Wir lernen hier bei den Creventic Rennen so viel über die Funktion der Autos und die Haltbarkeit der Teile hinzu. Es reicht einfach nicht, ein halbwegs laufendes Auto zu bauen und dann auf einen Kunden zu warten der das dann einsetzt und die Entwicklung für den Hersteller betreibt. Es gibt ja einige Beispiele im LMP3, GT4 oder sogar GT3 Bereich die zeigen das man damit nicht besonders weit kommt."
"Wir haben hier in Hockenheim zum Beispiel Erfahrungen mit durchgescheuerten Kabeln am Kabelbaum der GTX gemacht die nach einer gewissen Laufleistung an beiden Wagen aufgetreten sind. Das wird dazu führen das wir in Zukunft die Verlegung des Kabelbaums modifizieren werden, um die Wagen haltbarer zu machen. Solche Detaillösungen sind besonders wichtig wenn du ein kosteneffizientes und gleichzeitig haltbares Auto bauen willst. Du kannst natürlich einfach auch nur hochwertige Teile verbauen aber dann kostet das Auto schnell das Doppelte und wird, wenn du die Auslegung nicht 100% bedenkst, trotzdem nicht haltbarer. Die eigentlich wichtige Tugend für einen effizienten Kundensportwagen ist, ein puristisches aber gut funktionendes Auto zu konstruieren.“