Warum Peugeot die LMS-Titel verlor

minassiansilverstone Ein Bild das das ganze Elend der Löwen am vergangenen Wochenende zusammenfasst: Nicolas Minassian steht fassungslos vor den verrauchten Titelhoffnungen von Peugeot. Das Autosport 1000km Rennen in Silverstone 2008 wurde für das französische Werksteam zum Super-GAU - Fahrertitel trotz 2-Punkte-Vorsprung vor dem Rennen weg, Teamtitel trotz vier Siegen in vier bisherigen Rennen weg und Rennen trotz Doppelpole verloren! Wie konnte man eine ansonsten überragend erscheinende Saison am Ende so vergeigen?

Ralf Jüttner, technischer Direktor des Audi-Teams Joest fand trotz der ausgelassenen Feier beim Joest-Team am Abend nach dem Rennen noch kurz Zeit, uns seine Sicht zu präsentieren und einige seiner Punkte sind bemerkenswert. „Wir hatten zwei Strategien, das Rennen hier noch umzudrehen: Plan A war Regen und das hatte sich ja am Samstag abend schon erledigt. Plan B war auf Pech bei den Gegnern zu hoffen und das hat Peugeot übererfüllt. Anfangs der Saison hatten wir schon gemerkt, dass, wann immer wir dran waren an den 908, eine richtige Nervösität bei ihnen spürbar war. Wenn wir sie unter Druck gesetzt haben, dann hat bei denen regelrecht der Kommandostand gescheppert. Das war in Barcelona so und auch in Monza und Spa-Francorchamps - es passierten immer kleinere Schnitzer. Am Nürburgring haben sie uns so souverän im Griff gehabt, dass ich gedacht habe, diese Phase wäre vorbei und nun könnten sie keine Fehler mehr machen. Aber hier gab wieder einen Rückfall in alte Gewohnheiten. Das haben wir schon am Samstag im Qualifying gemerkt – da hat selbst das Auto gescheppert“. Damit spielte Jüttner auf den Qualifying-Unfall Minassians an, der zusätzlichen Druck im Team aufkommen liess.

Woher kam diese Nervösität? Auch Jüttner kann nur spekulieren. „Es ist natürlich bitter, wenn man den Titel so verliert. Wir haben die Leute dort als überwiegend faire Konkurrenten kennengelernt und zu einigen im Laufe der Saison ein fast freundschaftliches Verhältnis entwickelt. Es gibt dort viele die professionell und locker genug drauf sind – aber auch einige die im Laufe der Saison sehr verbissen in den Wettbewerb gegangen sind. ...“ War es vielleicht diese Stimmung die in Silverstone im Team die Oberhand gewann? War Peugeot Sport nicht cool genug den Sack in England einfach schnörkellos zuzumachen?

startsstone Ein Fotodokument zeigt den Anfang vom Ende des Rennens für die Löwen: Gleich in der ersten Kurve gingen die Piloten vielleicht eine Spur zu aggressiv in die Auseinandersetzung. Der führende Lamy ist zu schnell in Corpse-Corner hereingestochen, wird nach aussen getragen und muss vom Gas. Gleichzeitig versucht er, Mc Nish die Lücke zu zu machen, der dahinter schon auf einer Höhe mit Minassian ist. Der wird im Scheitelpunkt seiner Kurve überrascht und muss, um nicht in den bremsenden Audi oder seinen Teamkollegen zu rasseln, selber bremsen, respektive vom Gas. Der Dreher und der Rückfall sind unvermeidlich. So geriet Minassian unter den Druck, der später zum Unfall führte. Hätte man McNish vielleicht ziehen lassen sollen und sich darauf konzentrieren sollen, die #7 gegen die #2 abzuschirmen? Auch der Unfall von Sarrazin und Capello war vermeidbar. Selbst das zweite Auto ging damit im Kampf um die nun um so wichtigeren Punkte verloren.

Bei allem Pech der Gegner: Jüttner spart nicht mit Lob für sein Team, das über die Saison die Basis dafür legte, dass die Löwen bis zum Schluss unter Druck blieben. „Wir haben auch viele jüngere Leute im Team, die nicht wie die alten Hasen bei uns die Gruppe C-Zeiten kennengelernt haben. Die wussten bis zu diesem Jahr nicht, wie das ist, Rennen zu verlieren. Ein Team kann daran zerbrechen. Aber bei uns waren alle relaxt. Speziell Allan und Dindo sind Wadenbeisser. Die haben immer den Speed gehabt, um den Sieg mitzufahren – aber auch unglaubliches Pech. Beide wollten diesen Sieg und so konnten wir hier freie Fahrt geben, um die 908 unter Druck zu setzen. Und unsere Junioren-Kutscher haben Weitblick bewiesen. Es gab eine Phase im Rennen in der Alex im Kampf um den Sieg mit Allan war. Ich hab zu ihm gesagt „... take it easy – überlegs dir. Du kannst gegenhalten – aber dann riskierst du den Titel. Er gab zurück: „Lass uns den Titel heimfahren.“ Gegen Ende gabs dann 1-2 heisse Manöver beim Überrunden und die haben ihn dann noch mal eingebremst. Auch Mike war in freien Runden fast so schnell wie Dindo unterwegs, du konntest aber sehen, dass er im Verkehr betont vorsichtig zu Gange war. Beide sind verdiente Champions.“

unfall908silWar also Peugeot zu verkrampft und Audi in der glücklichen Lage als zurückliegendes Team drucklos zu agieren? Fast schon mag man den Löwen den nächsten Le Mans Erfolg oder zumindest einen Sieg beim PLM als Trostpflaster für 2008 gönnen. Dort werden sie allerdings wahrscheinlich nur noch mit einem Wagen antreten. Das zweite Chassis wurde durch den Unfall - übrigens eine weitere Gelegenheit bei dem wieder ein LMP aufstieg und in die Mauer segelte - zu stark in Mitleidenschaft gezogen. In Braselton wird es allerdings gegen die Porsche und Acuras doppelt schwer werden, als Sieger zu punkten.

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