Reicht das? - Eine Meinung zu den Nordschleifenmassnahmen...

Nun sind die Massnahmen des DMSB für die Sicherheit der grossen Klassen auf der Nordschleife also auf dem Tisch. Auf den ersten Blick geht alles in die richtige Richtung. Einbremsen von Topspeeds an kritischen Stellen, die Leistungsbeschneidung der Top-Autos, und als AdHoc Massnahme die Sperrung von in Gefahrenzonen liegenden Zuschauerbereichen. Das dürfte zumindest die Wiederholung des tragischen Szenarios vom VLN-Auftakt verhindern. Auch wenn die Massnahmen den Stempel des Zeitdrucks zeigen unter dem die Vorbereitung auf den 24h Event in 5 Wochen steht, waren sie in der Schnelle die am ehesten Umsetzbaren. Dennoch bleiben noch offene Optionen und einige Restrisiken, die sich aber eher auf den Charakter des Sports beziehen.

Das statt echter Schikanen nun virtuelle in Form von GPS-Auge Speedlimits aufgestellt wurden, ist eine derzeit wohl nur am Ring machbare Lösung, die durch den flächendeckenden teuren Einsatz dieses Systems am Ring möglich wird. Um Einwänden vorzubeugen: wie Mitglieder unseres Berichterstatterteams sich persönlich überzeugen konnten, arbeitet das System abseits der öffentlich zugänglichen Visualisierung präziser als allgemein angenommen. Und anders als in den Doppelgelb Bremszonen wird eingangs der Topspeedbegrenzungen nicht massiv gebremst sondern der bis dahin erzeugte Speed lediglich nicht weiter aufgebaut. Die fatalen lokal entstehenden Doppelgelb-Bremszonen mit Rückstaus, die mittlerweile selber ein Sicherheitsproblem am Ring geworden sind, entstehen also gar nicht erst.

Die Frage bleibt ob das generelle Problem wirklich von der grossen Expertengruppe angegangen worden ist, denn ein wichtiger Partner sass am gestrigen Dienstag und in den Vorrunden nicht mit am Tisch: die FIA war trotz des Status der VLN Langstreckenmeisterschaft und des 24 Stunden Rennens am Nürburgring als internationale Serie nicht als Dachbehörde eingebunden. Dabei ist die GT3, die aus dem Regelwerk des Dachverbandes stammt und aus der das Problem erst erwuchs, offensichtlich an einem Scheideweg angekommen: die Autos sind mit Rundenzeiten unterhalb von 8 Minuten nun in dem Bereich angekommen der einen Einsatz auf der immer noch sehr individuellen gestalteten Nordschleife grenzwertig erscheinen lässt. Das im Unterschied zu den damals verhältnismässig leichten Formel, GruppeC und GT1/GT-LM-Autos nun ein 1,3to schwerer GT3 Unterluft bekommen hat, verdeutlich wie gravierend das Problem angesichts der technischen Entwicklung der Klasse nun geworden ist.

Die Autos müssten nun eigentlich aerodynamisch modifiziert werden wie dies auch mit den LMP1 nach 1999 nach den Abflügen der Mercedes in Le Mans passiert ist: Begrenzung der Grösse des aerodynamisch wirksamen Unterbodens, Erhöhung der Bodenfreiheit und eine Mittelplanke am Unterboden wären die logischen Konsequenzen. Zudem müssten die immer leistungsfähigeren Reifen weg, die auf der Nordschleife mittlerweile alleine für 15s schnellere Rundenzeiten verantwortlich sind und durch harte Einheitsreifen für die Topklassen ersetzt werden, die die Rundenzeiten entsprechend herabsetzen würden. Gerüchte aus internationalen Foren besagen zumindest das die FIA schon an dementsprechenden Lösungen arbeiten würde und profilierte Reifen für die GT3 erwäge.

Doch diese Lösungen waren unter Zeitdruck – die Hersteller, die mittlerweile Unsummen in die Vorbereitung der 24h ausgegeben hatten brauchten für das Qualifikationsrennen am kommenden Wochenende eine realistisch umsetzbare Lösung – nicht realisierbar. Ohne langfristig ausgerichtete Beteiligung der FIA ist eine tiefgreifende Modifikation der GT3 nicht möglich. Schon die Leistungsbegrenzung jetzt birgt die Gefahr von Reglementsfallstricken einerseits und das eine DMSB-GT3 entsteht die sich kostenintensiv von der FIA-GT 3 Europa-Meisterschaft abspaltet und in einer aufgrund der Umbauten schwer finanzierbaren Sackgasse für die zahlreichen Privatteams endet. Die Reifenproblematik war aufgrund des notwendigen Entwicklungszeitraums schon keine Option. Das vielleicht auch wegen der Einbindung der Reifenhersteller als Sponsoren der Rennevents am Ring das Thema ausgeklammert wurde ist derzeit nur unbewiesene Spekulation. Das man die bei Fans und Aktiven teils unpopulären Streckenumbaumassnahmen nun zumindest nicht mehr ausschliesst ist hingegen ein Schritt der konsequenter in Richtung Sicherheit geht, so sehr ihn Puristen bedauern mögen.

Allerdings werden nach Meinung des Autors dieser Zeilen die Sportbehörden und Organisatoren am Ring um eine generelle Performance-Limit-Philosophie für die Nordschleife nicht herum kommen. Auch in Le Mans ist einmal ein Limit kommuniziert worden („nicht schneller als 3:30“) das allerdings vom deutlich unabhängigeren ACO nur halbherzig umgesetzt wird. Der Ring braucht eine ähnliche aber deutlich konsequenter umgesetzte Strategie: alles was schneller als 8:XX ist (man trage für xx eine genehme Zahl ein) gehört entweder modifiziert, eingebremst oder verboten. Das würde Exzesse wie die immer schneller gehende Rekordjagd der Top-teams zu Lasten der breiten Teilnehmermasse einschränken.

Um ein letztes Tabu zu brechen: Die GT3 mag zu eine Blüte der Serien am Ring geführt haben und sich zu einem Zugpferd entwickelt haben – zwingend notwendig für einen sehenswerten Sport am Ring ist sie dennoch nicht. Die Klasse ist erst seit einigen Jahren auf der Nordschleife zugelassen und auch davor hat es lange attraktiven Motorsport am Ring gegeben. Wenn die Autos trotz der nun eingeleiteten Gegenmassnahmen nun zu gefährlich für die Szene werden sollten, dann sollte nach lange vollzogenen Schnitten am unteren Ende der Leistungsskala nun auch ein Performancecut am oberen Ende der Rundenzeiten kein Tabu mehr sein. Es muss ja nicht gleich ein Verbot der GT3 sein, das obgleich anders als behauptet auch nicht den Untergang des Nürburgrings bedeuten würde. Aber auch mit 8:30´er Rundenschnitten hat es in der Vergangenheit packende Rennen am Ring gegeben – auch mit GT3-Fahrzeugen!

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