Vorschau Rolex 24: die Prototypen
Das Rolex 24 des Jahres 2006 wird ein All-Star-Gipfeltreffen, gegen das sogar Le Mans blaß aussieht - der frühe Termin macht es möglich. Neben Größen aus NASCAR, ChampCar und IndyCar treten etliche Sportwagenstars an; Dementsprechend schwer ist es, aus den 34 genannten Prototypenteams für das Rennen Favoriten herauszufiltern, zumal einige Fahrerbesetzungen noch nicht feststehen. Jedenfalls fest steht jedoch die große Attacke des Hauses Porsche auf das World Center of Racing.
1996 fand sich Porsche nach einem überraschenden Turbo-Verbot für die Prototypenklasse aus der „Victory Lane“ der 24 Stunden von Daytona ausgesperrt. Zehn Jahre später ist ein Porsche-Doppelsieg in beiden Kategorien durchaus im Bereich des Möglichen. Für den kleinsten Motor im DP-Feld gab es gewisse Zugeständnisse, die an sich schon leichteren Prototypen mit Motoren unter 5 Liter Hubraum müssen heuer 25 Pfund Ballast zuladen, alle anderen 75 Pfund – davon profitieren auch Lexus und die nur mehr theoretisch vorhandenen Infiniti, aber die Porsche-Autos - weil unter 4l Hubraum, damit das niedrigste Basisgewicht - am meisten. Außerdem fahren die 3,99l-Boxer ohne Luftmengenbegrenzung. Früher „exklusiv“ in den Fabcar, tauchen Porsche-Triebwerke jetzt auch in anderen Chassis auf.
Crawford
Der große Aufmacher des gesamten Tests war selbstverständlich die Rusty & Danica-Story. Nach einem kurzen Paarungsritual (Danica: „ich fahre gerne mit, wenn ich eingeladen bin“; Rusty: „wir laden sie gerne ein, wenn sie mitfahren will“; usw.) steht es jetzt fest: Danica Patrick und Rusty Wallace werden sich den Crawford-Pontiac Nr. 2 von Howard-Boss Motorsports mit Allan McNish und Boris „ich fahre alles“ Said teilen - das war die Pole Position in den Medien, aber nicht auf der Strecke.
Die schnellste Rundenzeit der drei Testtage in Florida ging an die GrandAm-Newcomer Alex Job Racing (mit operativem Partner Emory Motorsport) und der bis dato unerprobten Chassis-/Motor-Kombination Crawford-Porsche. Die Fahrermannschaft spricht eine deutliche Sprache: Patrick Long, Mike Rockenfeller und Lucas Luhr, der mit 1:43.431 die schnellste Runde der drei Testtage und den inoffiziellen DP-Rekord für sich beanspruchen darf. Das neue Auto funktioniert, Alex Job und Freunde waren dementsprechend zufrieden.
Bei Crawford wurde teamübergreifend gearbeitet; ein Porsche-Werksfahrer, dessen Name uns momentan entfallen ist, kletterte in das Rustymobil und hievte den noch noch immer in Citgo-Farben gehaltenen Wagen incognito ganz nach oben in der Zeitentabelle. Auch Andy Wallace fuhr dieses Auto, nachdem sein eigenes Chassis (Howard-Boss Nr. 4, ein „heißer“ Favorit) im zweiten Training abbrannte. Im Rennen sehen wir von ihm und seinen Teamkollegen, Jan Lammers und Nextel-Cup-Meister Tony Stewart, sicher mehr.
Weitere schnelle Crawford: auf Lexus setzt Cheever Racing - neben Eddie Cheever/Patrick Carpentier/Christian Fittipaldi sind mittlerweile auch Stefan Johansson und die LMP2-Sieger in Le Mans 2005, Mike Newton/Tommy Erdos/Warren Hughes bestätigt. Ford-Power arbeitet in der Nr. 5 von Essex Racing (bisher stehen Duncan Dayton und der ehemalige ALMS-Racer Jim Matthews fest) sowie Finlays Nr. 19 (Memo Gidley/Alex Barron/Michael McDowell) und Nr. 38 (Rob Finlay/Michael Valiante/Brian Herta/Buddy Rice). Interessanter Außenseiter ist das Hobby-Auto der Familie Dyson unter Betreuung von Howard-Boss; Rob und Chris Dyson fahren mit Oliver Gavin und Guy Smith den Crawford-Pontiac Nr. 16. Und ein weiterer Crawford-Porsche taucht bereits auf der Nennliste auf, unter Nennung des ehemaligen Lamborghini-Teams Vici Racing.
Fabcar
Neben dem Crawford sieht der Fabcar, das allererste nach DP-Reglement designte Chassis, schon recht altbacken aus – aber er lebt. Die von GrandAm sanktionierte Verjüngungskur und einige Unterstützung von Porsche in Verbindung mit dem erwähnten Gewichtsvorteil haben dem Auto einen zweiten Frühling beschert. Sascha Maassen drehte die insgesamt drittschnellste Runde, die Fahrer attestierten dem früher schlecht zu fahrenden Fabcar deutlich verbessertes Handling. Maassen wechselte sich Ted Christopher, David Donohue, JC France, Hurley Haywood und Darren Law ab, die Teams fürs Rennen werden erst zusammengestellt. Neben den Brumos-Autos war nur ein weiterer Fabcar dabei, mit einem Pontiac-V8 drehte der „RVO Speedwagon“ der Rock Valley Oil & Chemical Company im hinteren DP-Feld seine Runden. Dieses Auto muß auf den Gewichtsvorteil der Porsche-Motoren verzichten.
Riley
Es fahren nicht nur Porsche mit: am ersten Testtag gab der Riley-Pontiac des GAINSCO/Blackhawk-Teams das Tempo an. Im Lauf der Saison 2005 hat dieses Team zu seiner Form gefunden. Alex Gurney (Sohn von „All American Racer“ und Le-Mans-Sieger Dan Gurney) ist ein Siegfahrer, sein Partner Bob Stallings (Mr. GAINSCO) leider nicht unbedingt. Ihre Rolex-Partner sind der zurückgetretene ChampCar-Veteran Jimmy Vasser und Rocky Moran jr., der das Auto allerdings am Freitag in die Reifenstapel setzte. Moran ist bis auf eine Nackenmuskelzerrung wohlauf, das Team musste den Test abbrechen.
Schnellster Riley war somit das Werksauto von SunTrust Racing. Die Titelverteidiger Wayne Taylor, Max „the axe“ Angelelli und Emmanuel Collard werden heuer von ex-Ganassi-Mann Ryan Briscoe unterstützt, das Auto ist brandneu - zweitschnellste Testzeit, mit schönem Gruß nach Zuffenhausen. Unter der Aufsicht von Bill Riley persönlich ist SunTrust wohl das heißeste Riley-Eisen im Feuer von Daytona.
Bereits erwähnt wurde Milka Duno und ihr Wechsel zu SAMAX Racing, gemeinsam mit Kevin McGarrity und den Franchitti-Brüdern fährt sie den Riley-Pontiac von Brian Tuttle, der jetzt nach einem Cockpit sucht, um (gegen sein eigenes Auto) am Rolex 24 teilnehmen zu können. Riley-Pontiacs mit Außenseiterstatus sind das Krohn/TRG-Auto Nr. 75 (Tracy Krohn/Jörg Bergmeister/Colin Braun/Nic Jönsson), ex-Corvette-Team Pacific Coast Motorsports (mit Alex Figge/Ryan Dalziel/Jon Fogarty/David Empringham und Pontiac-V8) und die Nr. 40 von Derhaag mit Chris Bingham, Randy Ruhlman und GM-Legende Ron Fellows.
Briscoes früheres Arbeitsumfeld war ebenfalls nicht weit entfernt, mit Lexus-Power und einem gut aufgelegten Scott Pruett bei Chip Ganassi Racing with Felix Sabates. Mit Luis Diaz und Max Papis bildet er das fahrerisch vielleicht stärkste Team. Weniger Endurance-Erfahrung, aber auch jede Menge Talent haben IRL-Champion Dan Wheldon, Scott Dixon (ebenfalls IRL) und Casey Mears (Nextel Cup), die drei sind ehemalige Gegner aus der früheren IndyLights-Serie.
Zwei weitere interessante Riley-Lexus bringt Michael Shank Racing; im Fusion/MSR-Auto Nr.6 fährt neben Mike Borkowski, Paul Mears jr. und seinem kanadischen Landsmann Kenny Wilden auch Paul Tracy, der einen Le-Mans-Sieg und NASCAR-Erfolge als weitere Karriereziele nach seinem wohl bevorstehenden ChampCar-Rücktritt angibt. Seine ChampCar-Kollegen A.J. Allmendinger und Justin Wilson sitzen im Schwesterauto Nr. 60 mit Oswaldo Negri jr, der in der GrandAm-Saison 2005 bei einigen Gelegenheiten sein Können hat aufblitzen lassen; ein Fahrer wird noch dazustoßen.
Doran
Teilten Crawford und Riley sich die Schlagzeilen, so ging Kevin Doran es ruhiger an; das Siegerteam von 2004 hatte zwei JE4 vor Ort, fix ist bis jetzt nur der Einsatz des Autos Nr. 77 mit Terry Borcheller und Harrison Brix für die gesamte Rolex-Saison, mit Forest Barber und Michel Jourdain jr. als Partner für die 24 Stunden. Der frühere Teamkollege Christian Fittipaldi ist in Richtung Cheever Racing abgewandert. Hauptpilot im Auto mit der Nummer 78 war BJ Zacharias, hier ging es primär um eine „Leistungsschau“ für potentielle Mitfahrer. Neben Crawford und Riley ist Doran der dritte wichtige Chassishersteller, auch hier gibt es jetzt ein Porsche-getriebenes Auto für Synergy Racing. Patrick Huisman erzielte die zehntschnellste Zeit, im Rennen wird er gemeinsam mit den Brüdern Burt und Brian Frisselle antreten.
Keine Rede mehr ist offenbar von der „Squadra Azurra“ Matteo Bobbi/Fabrizio Gollin. Beide haben bereits Tests mit den Aston Martin DBR9 von BMS Scuderia Italia hinter sich, Gollin zeigte sich außerdem in Interviews unzufrieden über die Entwicklungsarbeit bei Doran Racing.
Die Anderen
Zu dieser Gruppe gehört mittlerweile auch Multimatic. Gemeinsam mit Fabcar einer der Pioniere dieser Kategorie, ist man mittlerweile mit dem Panoz Esperante in der ALMS und der Entwicklung des Ford Mustang im GrandAm Cup ausgelastet. Ein einsamer Multimatic-Ford von Primus Racing, einem Team aus der Formel-Ford-Szene, wurde von Jay Howard (Meister der „Cooper Series“ Formel Ford 2000), Enzo Pottolichio und Nick Boulle gesteuert.
Ebenfalls nur ein Chassis hatte Chase Competition Engineering vor Ort. Das nach dem Vorbild des Mosler MT900 gestaltete Auto ist sicher der eleganteste Daytona-Prototyp, aber nicht der schnellste. Man gibt dennoch nicht auf: unter Nennung von Maverick Motorsports testete unter anderem Cort Wagner das modifizierte Chassis 02. - Ein Spitzenplatz einer dieser beiden Mannschaften wäre eine Sensation.