Entropy Racing EVSR
Bei den vergangenen 25h von Thunderhill (wir berichteten) gab es eine Premiere zu bestaunen die man eigentlich eher beim 24 Stunden Rennen von Le Mans als Garage 56-Projekt erwartet hätte: neben den zahlreichen Tourenwagen und Sportprototypen startet auch ein äusserlich unauffälliger Sports Racer der komplett auf einen batterieelektrischen Antrieb setzte. Zwar war dies nicht der erste Einsatz dieser Art – in Le Mans hatte der von einem Seriell-Hybrid-Motor betriebene Nissan Zeod RC bereits 2014 eine mit viel Marketing-Aufwand und wenig zählbaren Ergebnissen versehene Premiere eines Elektroautos bei einem 24h-Rennen „gefeiert“. Doch die beim amerikanischen Langstreckenklassiker antretende Entropy Racing Mannschaft zeigte, das solch ein Einsatz nicht nur pragmatischer, sondern auch deutlich wegweisender und dabei auch noch erfolgreicher ablaufen kann als seinerseits der mit viel Marketing-Tam-tam und hohen Kosten absolvierte Le Mans Einsatz von Nissan, die seinerzeit noch nicht mal ein reines E-Fahrzeug an den Start brachten.
Im Unterschied zum Nissan, der das Rennen 2014 nach sage und schreibe 20 Minuten und 5 absolvierten Runden (gut 68,1km) mit technischen Problemen beendete, schaffte das bereits seit einigen Jahren mit seinen Elektro-Prototypen engagierte Team um die Piloten Todd Reid, Charlie Greenhaus, John Early, und Jeff Filipkowski trotz einer 7 stündigen Rennunterbrechung wegen Nebels eine Renndistanz von 346 Runden, was auf der 4,828km langen Strecke eine Gesamtdistanz von 1038 Meilen oder 1670 km entsprach. Damit kam das Team aus Pennsylvania unter 36 startenden Mannschaften als 29.te ins Ziel. Hätte man 24 Stunden durchfahren können, dann wären mit dem kleinen E-Prototyp sogar über 2300km möglich gewesen.
Doch noch sensationeller wie die zuverlässig absolvierte Distanz waren die Standzeiten des Elektromobils. Denn statt langer Ladezeiten wurden die beiden 13kW-Batterie-Packs die links und rechts vom Fahrer angeordnet waren bei den alle 67 Kilometern anstehenden Stopps innerhalb von knapp 2 Minuten per „Hot Swap“-Technik einfach ausgetauscht. Laut Angaben von Pilot und ChefIngenieur Charlie Greenhaus wurde diese Technik, die den einzigen pragmatischen Ansatz für die Einführung elektrisch angetriebener Wagen in den Langstreckensport darstellt, damit zum ersten Mal in einem 24h-Wettbewerb angewendet. Greenhaus war auch so freundlich gegenüber GT-Eins weitere Details zum Wagen und seiner Technik zu erläutern: |
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„Unsere ersten Fahrzeuge für das rein elektrische EVSR-Projekt nutzten noch alte Renault-Sport-Karosserien und Chassis und ähnelten noch eher einem Sports-Racer. Wir haben damit unser Konzept entwickelt. Das Chassis der 2. Generation sieht zwar äusserlich noch wie ein Spec-Racer aus aber wir haben bereits viele Änderungen bei der Käfig- und Sicherheitsstruktur vorgenommen, sowie eine andere Sitzposition, Seitenstruktur und Antriebsstranganordnung verbaut. Die Gen 2-Karosserie ist komplett von uns selbst entworfen worden und das Chassis hat außer der Aufhängung wenig mit einem SRF gemeinsam. Hier in Thunderhill hatten wir entgegen der Angaben der Nennliste unser aktuellstes 2021´er Chassis (#2-003) eingesetzt, das erstmals im September zum Einsatz kam als wir eine SCCA-Meisterschaft damit gewannen.“
Auch zur Technik äusserte sich Greenhaus: „Bei den Batterien haben wir eher auf die Sicherheit gesetzt. Statt möglicher Lithium-Ionen Zellen haben wir Lithium-Eisenphosphat-Akkus verwendet, da diese eine höhere Stabilität und eine deutlich reduzierte Brandgefahr bei Crashs oder Reifenschäden besitzen. Das geschah auch um die Genehmigung verschiedener nationaler und regionaler Sportbehörden zu erhalten. LFP-Zellen sind zwar schwerer, aber wir waren der Meinung, dass die Sicherheit wichtiger ist. Bei den Zellen handelte es sich um kommerziell erhältliche Akkus für den Heimwerker-Bedarf mit einer Gesamtkapazität von 25 kWh. Im Wagen sind beim Motor dafür 3 Modi abrufbar – einer mit 140PS Leistung für Langstreckenrennen, ein 180 PS-Modus für Sprintrennen und ein sogenannter „Party-Modus“ den wir bei Bergrennen oder sehr kurzen Sprintrennen einsetzen und der 225 PS erlaubt.“
Gerne würde Greenhaus die Technik auch auf grösserer Bühne und mit stärkeren Wagen präsentieren wie er auf unsere Nachfragen in Richtung LMP3 oder gar „Garage 56“ äusserte. „Das sind alles Projekte die von einer entsprechenden Finanzierung abhängen. Wir wissen, wie es geht, wir brauchen nur die Mittel, um es zu verwirklichen. Die Technik ist bereits vorhanden. Ich glaube, dass es machbar ist, und wir haben die Erfahrung, es mit den richtigen Partnern zu tun. Wir haben jedenfalls in Thunderhill meines Wissens nach nicht nur ein konkurrenzfähiges Finish eines batterie elektrischen Wagens inmitten eines Feldes konventioneller Konkurrenten bei einem Langstreckenklassiker erreicht, sondern auch den ersten Batteriewechsel, während eines laufenden Wettbewerbs in der Boxengasse demonstiert. Mit anderen Worten, das dürfte eine weltweite Premiere gewesen sein, wenn ich mich nicht irre.“