LMP1-Vorschau: 21 Wagen in der Königsklasse in Le Mans
Mit 21 LMP1 (vier Courage, vier Pescarolo, je drei Audi, Peugeot und Lola, zwei Creation und je ein Dome und Epsilon Euskadi) bilden eines der grössten Prototypenfelder in der Top-Klasse seit Jahren an der Sarthe. Was dieser Ausgabe Spannung verleiht: Der Kampf um den Sieg muß trotz der Dominanz der 908 an der Spitze bei den LMS-Läufen als völlig offen bezeichnet werden.
Es ist das erste Mal seit 1999, dass Audi nicht als Favorit an die Sarthe kommt (2003 mit dem Joest-Bentley-Sieg mal ausgenommen). Peugeot hat in diesem Jahr klar das schnellere Auto gebaut. An der Sarthe zählt jedoch nicht nur Tempo. Und bei den LMS-Läufen haben die 908 noch Potentiale in der Standfestigkeit aufgezeigt. Bei jedem Lauf kam zumindest einer der 908 in Probleme. Der Abflug von Marc Gene beim Testtag hat in die ohnehin dünne Ersatzteildecke der Löwen zudem ein empfindliches Loch gerissen. Ob nach 24h daher noch alles rund für einen der geschlossenen französischen Dieselboliden läuft, muss abgewartet werden. Das Tempo zwischen Audi und den Löwen wird mörderisch sein. Und das wird zu ersten Ausfällen führen.
Die hatte im vergangenen Jahr Audi zu beklagen. Nach den Abflügen von Mike Rockenfeller und Rinaldo Capello, der mit Verlaub gesagt der erste in einer sich nun häufenden Reihe von Unterluftabflügen war, war Audis Streitmacht schnell auf nur einen Wagen reduziert. Das Team von Reinhold Joest baut nun für das kommende Wochenende auf seine wahre Stärke - die Erfahrung. Man bleibt bei der selben Fahrerbesatzung wie im vergangenen Jahr und hat hat die Wagen vom Speed her ein wenig optimiert, um den Druck auf Peugeot aufrecht zu erhalten. Wenn diese aus technischen oder fahrerischen Gründen (die 908-Treter fielen bei den LMS-Läufen bislang durch eine wenig rücksichtsvolle Fahrweise auf) in Schwierigkeiten kommen sollten, dann werden die R10 bei ihrem letzten Rennen - für 2009 ist bereits ein Nachfolgemodell in Aussicht gestellt - gnadenlos die vakanten Positionen einnehmen.
Bei den französischen Konstruktionen lauern die Werksteams von Pescarolo und Oreca-Courage auf die verbleibenden Podiumspositionen. Im letzten Jahr blieben von fünf gestarteten Werksdiesel drei auf der Strecke. Die Wahrscheinlichkeit besteht durchaus, das es in diesem Jahr ähnlich aussehen wird. Was Henri Pescarolos Mannschaft an Budget fehlt, macht er durch seine 30-jährige Erfahrung locker wett. Und auch die Oreca-Wagen haben ihren Speed schon bewiesen. Gegen die beiden Werksteams werden die Kunden von Saulnier und Rollcenter (Pescarolo) und die beiden japanischen Courage von Terramos und Tokai University einen schweren Stand haben.
Im Kampf um den Rang des besten Benziner-Fahrzeugs werden die Franzosen im Charouz Systems-Lola Aston Martin einen starken Konkurrenten haben. Stefan Mücke überzeugte die Fachwelt schon im letzten Jahr mit konstant schnellen Runden. Mit dem neuen schnelleren Lola B08/60 könnte sogar noch mehr drin liegen, wenn man die bei den Testtagen aufgetretenen Probleme in den Griff bekommt. Mückes Vorjahresfahrzeug, der Lola B07/17 Judd, findet sich in diesem Jahr in den Händen von Klaus Graf, Jan Lammers und Greg Pickett wieder, die den Wagen danach in der ALMS an den Start bringen wollen. Der dritte Lola ist schliesslich der B06/10 des Chamberlain Synnergy-Teams auf dem Amanda Stretton als zweite Frau im Feld neben Vanina Ickx im Rollcentre-Pescarolo ihr Le Mans Debüt gibt. Für Hugh Chamberlains Team wird die Luft in der LMP1-Klasse langsam zu dünn – es könnte sein das dies einer der letzten Auftritte des gelben Lolas ist.
Creation ist in diesem Jahr mit zwei Teams dabei. Das „Werksteam“ hat Johnny Mowlem, Marc Goossens und Sturt Hall unter Vertrag, nachdem Jamie Campbell-Walter immer noch an der Heilung seiner aus dem Monza-Abflug resultierenden Brüche laboriert. Als zweites Chassis ist der auf den neuesten Stand gebrachte Autocon CA07 am Start. Die amerikanische Truppe gibt ihr lang ersehntes Le Mans Debüt.
Dieses geben auch zwei der spektakulär aussehenden geschlossenen Fahrzeuge. Die spanische Mannschaft von Epsilon Euskadi bringt die erste katalanische Konstruktion an der Sarthe an den Start. Und Dome hat den schneeweissen S102, der schon bei einigen Betrachtern Erinnerungen an den Toyota GT-One aufkommen liess, bei den Testtagen debütieren lassen. Für die vier letztgenannten Teams wäre allerdings schon ein Finish soviel wert wie ein Sieg.
Fassen wir zusammen: Den Sieg fahren 2008 die sechs Werksdiesel untereinander aus. Den Rang des besten Benziners werden die Werkscrews von Oreca und Pescarolo sowie der Charouz-Lola Aston Martin auswürfeln, der Rest hofft auf ein Finish. Insofern hält die LMP1-Klasse für die Fans drei Rennen in sich für die 2008'er Ausgabe des Klassikers bereit, die mit den Entscheidungen in den drei weiteren Klassen eine der interessantesten Ausgaben dieses Jahrzehnts am kommenden Wochenende erleben werden.