Imola aus der Tribünenperspektive
Irgendwann musste es ja mal so kommen: Meine Akkreditierungsanfrage kam so spät, dass sie nicht mehr berücksichtigt wurde. Da spielt es auch keine Rolle, dass ich die ACO Sportwagenrennen seit 2004 regelmässig begleite. Was also tun? Zuhause bleiben? Ach was, ein Wochenende in Italien lass ich mir nicht entgehen. Vor Ort dann wie 75.000 Andere erstmal ein Ticket gekauft. Der Zugang zum Fahrerlager bleibt mir verwehrt. Egal, es gibt ja jede Menge schöne Tribünen in Imola.
Es ist sonnig aber mit 17 Grad nicht übermässig warm. Beim Start habe ich eine gute Sicht auf das 37 Wagen starke Feld (19 Hypercars von Toyota, Porsche, Ferrari, Alpine, BMW, Cadillac, Peugeot, Lamborghini und Isotta-Franchini , 18 GT3 von Porsche, BMW, Ferrari, Aston-Martin, Lamborghini, McLaren, Ford, Corvette und Lexus), wie es aus der zweiten Rivazza auf die Startgerade einbiegt. Beim Anblick der drei Ferrari in Front geraten die Tifosi in Verzückung. Nach der überlegenen Vorstellung im Training wird nicht weniger als ein Sieg erwartet
Noch vor der Startlinie wird Yasser Shahin im Manthey Porsche Nr. 91 angeschoben und biegt in Richtung Leitplanke ab. Dieser Zwischenfall wird aber kurz darauf mit einer Massenkarambolage vor der Variante Tamburello in den Schatten gestellt. Ein ganzer Pulk von Hypercars dreht sich von der Strecke, der Alpine Nr. 36 von Matthieu Vaxivière, der BMW Nr. 15 von Marco Wittmann und der Peugeot Nr. 94 von Paul di Resta müssen zum Reparaturstopp an die Boxen.
Ferraris dürfen auch gelb sein, Hauptsache sie sind schnell. Vor allem die Trainingszeiten von Robert Shwartzman beeindrucken, kann er doch in der Hyperpole mit dem AF Corse Ferrari die beiden Werks-Ferrari splitten. Der achte Schlussrang spiegelt nicht die tolle Leistung von Robert Kubica/Robert Shwartzman/Yifei Ye wider, als Trost bleibt immerhin der Pokal für das beste Privatteam.
Ich bin inzwischen in der Tosa Kurve angekommen, wo man von der Tribüne einen guten Blick von Tamburello bis Piratella hat. Überholen ist hier schwierig, es geht mehr darum, möglichst viel Schwung in die Bergauf-Passage mitzunehmen.
Im Park von Acque Minerali lässt sich das Rennen entspannt verfolgen. Hier ist immer was los. Auch die Tribünen sind das ganze Rennen über dicht besetzt. Das Publikum ist fachkundig und fair: Gute Aktionen auch von nicht-Ferraris werden mit Applaus honoriert. Zweitgrösste Gruppe hinter den Ferrari-"Rotkäppchen" sind die Rossi-Fans mit der gelben 46 als Erkennungszeichen.
Am anderen Ende der Strecke gilt es vor der Rivazza Kurve den richtigen Bremspunkt zu finden. Ansonsten führt der Weg durch den Kies. Hier sieht man besonders deutlich, wie nah die Strecke an die Wohngebiete grenzt. In Deutschland undenkbar.
Gegen vier Uhr ziehen sich die Wolken über Imola zusammen, ab fünf Uhr beginnt es leicht zu regnen und die Temperatur geht auf 11 Grad runter.
Die Bedingungen sind in der Acque Minerali besonders tückisch. Als erstes erwischt es Julien Andlauer im Proton Porsche Nr. 99.
Kurz darauf rutscht auch Paul-Loup Chatin im Alpine Nr. 35 von der Strecke. In dieser Phase entscheidet sich das Rennen: Toyota und Porsche wechseln früh auf Regenreifen, Ferrari wartet zu lange.
In der GT3 Klasse bleiben beide BMW auf Slicks und kommen so an die Spitze. Der rennentscheidende Moment: Maxime Martin verpasst seinen Bremspunkt in die Acque Minerali und Augusto Farfus kann innen durchstechen. Trotz umgekehrter Reihenfolge wird es ein triumphaler Doppelsieg für das WRT Team.
Dabei gewinnt am Ende der Team WRT BMW M4-GT3 von Darren Leung, Sean Gelael und Augusto Farfus am Ende mit 22,8s Vorsprung vor den Teamkollegen Maxime Martin, Valentino Rossi und Ahmed AlHarthy. Rang 3 soll am Ende der Manthey Pure Rxcing Porsche von Klaus Bachler, Joel Sturm und dem weißrussischen Piloten Aliaksandr Malykhin mit einer Runde Rückstand belegen.
Als die Ideallinie wieder abtrocknet, ist das Toyota Team wieder das erste, das auf Slicks wechselt. Die Schlussphase des Rennens ist an Spannung kaum zu überbieten, als sich Kevin Estre im Penske Porsche Nr. 6 immer näher an den führenden Kamui Kobayashi im Toyota Nr. 7 heranarbeitet. Der Porsche ist deutlich schneller, kommt am Toyota von Schlußfahrer Kobayashi und seinen Teamkollegen Mike Convay und Nyck de Vries aber nicht vorbei. In den letzten Runden gehen die Überrundungsmanöver immer zugunsten von Kobayashi aus, wodurch Estre im Ziel 2 Sekunden Rückstand hat. Wieder sind die Kontrahenten durch einen GT3 getrennt - diesmal ist es der Heart of Racing Aston Martin.
Die Fans haben sich weder von Wetter noch Rennverlauf die Stimmung vermiesen lassen. Fast alle sind geblieben und bilden eine imposante Kulisse vor dem Podium. Toyota hat das Rennen mit seiner Risikofreude gewonnen, Ferrari hat es durch Strategiefehler verloren. Antonio Fuoco versöhnt die Tifosi, als er in der letzten Runde am Toyota von Brendon Hartley vorbeigeht und Platz 4 erobert. Porsche-Penske baut mit den Plätzen zwei und drei die Führung in der Meisterschaft weiter aus. Ein extrem unterhaltsames Rennen mit vielen Wendungen. Hat es Spass gemacht, das Rennen von den Tribünen aus zu verfolgen? Auf jeden Fall, aber das nächste Mal nehme ich gerne wieder das Media Center!