Nissan beendet LMP1-Programm vorzeitig

Nissan hat nissan_gtr_lm_1.jpgsein LMP1-Programm mit sofortiger Wirkung beendet. Damit kommt das ursprünglich nur auf 2 Jahre ausgelegte Programm des japanischen Herstellers und seines amerikanisch basierten Renn- und Entwicklungsteams schon nach nur einem Jahr zu einem vorzeitigen Ende. Damit wird man auch nicht mehr in die Top-Klasse der LMP1 zurückkehren, die man in diesem Jahr in Le Mans mit 3 Autos bestritten hatte.

Die Japaner hatten 2014 die Rückkehr in die Top-Klasse nach Le Mans mit einem revolutionären Konzept angekündigt. Schon bei den ersten Fotos 2015, die von einer geschickten Marketing-Kampagne begleitet wurden, wurde klar, dass man sich alle Mühe gab, zumindest diesem Versprechen Wort zu halten. Das Fahrzeug präsentierte sich als frontangetriebener, frontmotorisierter LMP1 mit einem Flybrid-Hybridsystem und einer internen Aerodynamik nissan21.jpgdie auf einem komplexen Durchflussprinzip mit Luftkanälen basierte. Das Konzept spaltete von Anfang an die Gemüter: die einen sahen Nissan als Neuerfinder der LMP1 – die Anderen unkten das sich die Neueinsteiger in die Klasse mit diesem revolutionären Konzept übernehmen würden, zudem man gleich 3 der Wagen beim 24 Stunden Rennen von Le Mans einzusetzen gedachte.

Leider behielt die zweite Fraktion recht. Der zu enge Zeitplan für den angepeilten zu gross dimensionierten Einsatz an der Sarthe liess angesichts der zu erwartenden Entwicklungsrückschläge zu wenig Spielraum für die Neu- und Weiterentwicklung des Konzepts auf. Schon erste Unregelmässigkeit bei den Crashtests – unter den Herstellern normalerweise Gang und Gäbe – und beim Hybridsystem führten zur Absage der ersten Rennauftritte in der FIA Langstrecken Weltmeisterschaft. Die wären ohnehin schnell gescheitert, denn das von Zulieferer Torotrak gelieferte Flybrid-Hybridsystem, das auf dem Papier für bis zu 1000PS ausgelegt war, kam nie richtig zum Funktionieren und ein LMP1-H ohne einsatzfähiges Hybridsystem stirbt nach dem derzeitigen Konstruktionsregelwerk innerhalb von wenigen Runden den Hitze- oder Verschleisstod, egal ob er von Nissan, Audi oder Porsche kommt.

Die Entscheidung Le Mans angesichts des Entwicklungsruckstandes ohne funktionierendes Hybridsystem zu bestreiten führte daher zu einer Bauchlandung mit Ansage. Nissan blamierte sich angesichts der überirdisch schnellen deutschen Werkswagen mit 3 viel zu langsamen Autos auf LMP2-Level, die alle 30 Runden für eine Reparatur in die Box einlaufen mussten. Lediglich einer der Wagen kam ins Ziel - ausserhalb der zur Wertung nötigen Distanz.

Die unter den Augen des Nissan-Top-Managements absolvierte blamable Premiere führte dazu, dass das bislang unabhängig (und vielleicht in einigen technischen Details und dem Timing auch blauäugig) agierende Einsatzteam an die japanische Kandare genommen wurde. Die weitere Teilnahme an der FIA Langstrecken Weltmeisterschaft - in der die Autos kein einziges Rennen absolvierten - wurde ausgesetzt. Die Vorgaben wurden nun eng gesetzt: entweder der Wagen läuft modifiziert bis Ende des Jahres oder das Programm wird eingestampft! Als nun bei den letzten Tests auf der bevorzugten Teststrecke in Austin/Texas das neue Batteriesystem nicht auf Anhieb wie gewünscht funktionierte und ein Crashtest eine Neukonstruktion im Heck erforderte, waren die Tage des Programms gezählt.

Gemäß der lediglich auf der Nissan-Homepage veröffentlichen knappen Mitteilung wurde die Entwicklung eingestellt, weil nicht absehbar war, das man 2016 die gewünschten Ziele – mit Audi und Porsche um Siege zu kämpfen – erreichen würde. Man wolle sich daher auf die Entwicklung der langfristigen strategischen Rennprogramme – GT3, LMP2- und LMP3-Motoren wurden genannt – konzentrieren. Was dies bedeutet, musste ein Grossteil der unermüdlich an den Wanderbaustellen arbeitetenden Nissan-Mitarbeiter im amerikanischen Rennteam nun am eigenen Leibe erfahren. Die zum Teil schon im Weihnachtsurlaub befindlichen Mechaniker, die in Le Mans Tag und Nacht an den Autos herumgeschraubt hatten, wurden kurzfristig per E-Mail in die Teambasis einbestellt, um dort ihre Schlüssel abzugeben und die Schreibtische auszuräumen. Man darf davon ausgehen, dass Renault & Nissan nach diesem Desaster eine Rückkehr in die Top-Klasse an der Sarthe innerhalb dieses Jahrzehnts nicht mehr wiederholen werden.

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